Beziehungswaise Roman
mich ein menschliches Abführmittel und lacht so laut, dass der Kleine aufwacht. Er schlägt die Augen auf, sieht sie und schreit los, was mir natürlich Munition gibt. Während sie ihm die Windel wechselt, kabbeln wir uns, was das Zeug hält, und ich muss aufpassen, dass meinGrinsen mir nicht die Kopfhaut abreißt. Ein paar großartige Minuten sind wir frei. Bloß Geschwister, die sich behaken. Dann schreit Sisse durch den Krach der Kinder, dass das verfluchte Essen überkocht. Sune schreit zurück, dass sie sich nicht drum kümmern kann, da sie mich gerade verabschiedet. Sisse schreit zurück, dass sie sich beeilen soll, weil gleich die gottverdammte Küche in Flammen steht. Sune schreit zurück, dass doch alles niederbrennen soll, zum Teufel. Die Kinder toben weiter ungerührt herum. Entweder ist ihr Dänisch noch zu schlecht, oder sie sind schon abgehärtet.
Sie bringt mich zum Ausgang. Wir umarmen uns. Als ich das bunte Tor öffne, taucht Sisse auf wie ein Dampfer aus dem Nebel. Sie drückt mich an sich und erlaubt mir zu gehen, vorausgesetzt, dass ich bald wiederkomme. Ich verspreche es. Dann stehe ich auf der Straße und wische mir etwas Sabber vom Mantelkragen. Ich bin mir nicht sicher von wem.
Als ich die Wohnungstür aufstoße, sitzen Far und Ebba am Kaffeetisch, und zwischen ihnen herrscht diese Stille, wenn man mitten im Satz abgebrochen hat. Ebbas Augen sind gerötet. Far drückt mir eine halb volle Thermoskanne in die Hand und bittet mich, neuen Kaffee aufzusetzen. Ich gehe in die Küche und setze neuen auf, dann gehe ich ins Wohnzimmer, ziehe den Vorhang zwischen den Zimmern zu, setze mich auf den Telefonschemel und rufe mein anderes Leben an. Frauke geht bereits nach dem zweiten Klingeln ran. Ich frage sie, warum sie an mein Telefon geht. Sie sagt, weil ich anrufe. Ich frage sie, wie es ihr geht. Sie stöhnt, nach Aschermittwoch sei die Restwoche Kopfschmerzen und Grippe, dennoch gehe sie gleich zur Arbeit und freue sich darauf. Fünf Tage ohne Kanzlei – da fehlt ihr was. Scheinbar lieben alle ihren Job mehr als ich.
Apropos: Frauke berichtet weiter, mein Agent rufe ständig an. Ich berichtige sie, Agentur. Sie berichtigt mich, Agent. Clemens himself habe mehrmals auf den AB gesprochen, der Sender finde Aggrocomedy super, es gebe ein Meeting, und zwar morgen, Clemens wolle sich vorher mit mir treffen, und zwar heute, damit wir das weitere Vorgehen besprechen könnten. Außerdem sei heute früh eine gewisse Nina aufgetaucht, die in der Halle habe auftreten wollen. Frauke hielt sie für eine Irre aus der Klinik. Über ihre Spontanreaktion – Hat die Klapse Wandertag? – muss ich lachen und erkläre ihr, dass Nina eine Kollegin ist und dass sie proben kann, solange sie niemanden nervt. Dann tritt eine kleine Pause ein. Danach fragt sie mich mit kleiner Stimme, wie es denn meinem Vater gehe. Ich sage, dass wir noch keine Diagnose, aber morgen einen Termin im Krankenhaus haben. Wieder so eine merkwürdige Pause. Dann sagt sie, dass sie losmüsse und dass ich sie jederzeit anrufen könne, auch im Büro. Ich danke, dann legen wir auf. Ich bleibe einen Augenblick sitzen und denke über kleine Pausen nach.
Als ich den Kopf ins Esszimmer stecke, ist die Luft besser. Ebba löst Kreuzworträtsel, Far liest ein Buch. Ich hole die Kanne aus der Küche und gieße ihnen ein frisches Käffchen ein, dann gehe ich zurück ins Wohnzimmer, setze mich wieder auf den Telefonschemel und wähle.
»Krytowski. «
Ich werfe einen Blick zum Esszimmer und senke die Stimme, obwohl die beiden kein Wort Deutsch können.
»Ich bin’s.«
»Liebster! Schön! Warte bitte einen Augenblick ...«, sagt sie und bedeckt die Muschel mit ihrer Hand. Durch die Abdeckung höre ich, wie sie jemandem etwas erklärt. Dann verändert sich der Raumklang, und sie ist wieder dran.
»Was haben die Ärzte gesagt?«
»Der Termin ist erst morgen.«
»Oh. Entschuldige.« Sie atmet tief ein und schnell aus. »Wie geht es ihm?«
»Er schläft viel, aber sonst ist alles beim Alten.«
»Und wie geht es dir?«
Ich sage nichts. Zuerst, weil ich darüber nachdenke. Dann, weil ich es weiß. Und dann brauche ich es auch nicht mehr zu sagen. Die Pause spricht für sich.
»Ich wollte nur mal deine Stimme hören«, flüstere ich und muss dennoch kämpfen, dass meine Stimme nicht bricht. Gott, tut es gut, mit ihr zu reden.
»Ich komme Samstag mit der ersten Maschine«, sagt sie und klingt entschlossen.
»So schlecht geht es ihm
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