Bezwinge mein Herz
Juans überraschte Stimme hinter ihr, doch Elly lief einfach weiter. Sie achtetenicht darauf, dass die Menschen ihr verwundert hinterher starrten, sondern lief mit tränenüberströmtem Gesicht, bis sie Seitenstiche bekam. Erst dann verlangsamte sie ihr Tempo.
19
N achdem Elly vor drei Tagen aus dem Laden von Madame Châtaigne geflohen war, hatte sie sich nicht mehr auf die Straße getraut. Sie wollte diesem elenden Kerl nie wieder unter die Augen treten. Von ihrem Geld hatte sie sich ihr Essen beim Wirt bestellt und der junge Bursche Tim, den sie an dem Tag ihres unglückseligen Ausfluges beim Fegen der Gaststube gesehen hatte, hatte ihr vom Markt einfachen, grauen Stoff, Garn, Schere und Nadeln besorgt.
So hatte sich Elly die letzten Tage mit Nähen die Zeit vertrieben. Sie war beinahe fertig und ihre Finger fühlten sich schon ganz taub an. Seufzend legte sie die Näharbeit beiseite und schaute aus dem kleinen Fenster nach draußen. Ein Bursche, vielleicht acht Jahre alt, kam mit einem großen Paket auf den Armen auf das Gasthaus zu. Von der Church Street her kam eine ganze Horde Matrosen herauf. Elly schätzte, dass es mehr als zehn sein mussten. Wenn die vorhatten, im Black Cat einzukehren, dann konnte Elly es vergessen, nach unten zu gehen, um ihr Supper zu bestellen. Sie wollte diesen Trunkenbolden lieber nicht begegnen.
Es klopfte an der Tür und Elly erhob sich von ihrem Stuhl, um die Tür zu öffnen. Sie erwartete, Tim oder eines der Mägn="l
„Miss Innes?“, fragte er schnaubend.
„Ja, das bin ich“, antwortete Elly leicht verwirrt.
„Für Euch Lady!“, sagte der Bursche und drückte Elly kurzerhand das Paket in die Arme.
Elly stand mit dem Bündel im Arm da und schaute den Jungen perplex an.
„Aber das kann nicht sein! Ich erwarte keine Lieferung. Was ist das überhaupt?“
„Keine Ahnung Lady. Aber wenn Ihr Miss Innes seid, dann ist es für Euch. Mein Auftrag lautet, dieses Bündel einer gewissen Miss Innes im Black Cat zu liefern. Das ist alles.“
Der Junge drehte sich flink um und war verschwunden, ehe Elly ihn fassen konnte. Also schloss sie nachdenklich die Tür und legte das Bündel auf das Bett. Was mochte darin sein und wer hatte den Auftrag zu dieser Lieferung gegeben? Es hatte sich weich angefühlt, wie Kleider. – Dieser Schurke! Er hatte doch nicht etwa …?
Hastig öffnete sie die Verschnürung und faltete das Seidenpapier auseinander. Was dann zum Vorschein kam, verschlug ihr für einen Moment die Sprache. Es waren tatsächlich Kleider und von so guter Qualität, dass selbst Lady Montanas Garderobe nicht mithalten konnte.
Elly breitete die Sachen staunend auf dem Bett aus. Es war ein schlicht gehaltenes Kleid in einem dezenten Braunton mit cremeweißer Spitzenschürze und gelbem Mieder. Dazu kamen zwei Garnituren Unterwäsche und ein dunkelbrauner Umhang mit Fellbesatz. Das zweite Kleid war noch kostbarer. Es war von einem dunklen Grün mit goldfarbener Stickerei am Mieder und an den Ärmeln. Eine Karte steckte an dem Kleid. Zwar war mehr als offensichtlich, wer ihr diese Kleider geschickt hatte, trotzdem nahm sie die Karte zur Hand, um sie zu lesen.
Meine teure Miss Innes
Erlaubt mir bitte, Euch diese kleine Gabe meiner Wertschätzung und Wiedergutmachung zu senden. Eine gute Bekannte meinerseits gibt am Sonnabend eine kleine Soirée und ich habe noch keine Begleitung. Würdet Ihr wohl so gütig sein und mir aus dieser misslichen Lage helfen und meine Begleiterin sein? Ich werde Euch am Sonnabend um acht Uhr abholen und hoffe, Ihr werdet mir diesen kleinen Gefallen nicht verwehren.
Ihr ergebenster Diener
Juan Maria Almeda de García
Elly wusste nicht, ob sie erfreut oder wütend seinuumJuan sollte. In ihrem ganzen Leben hatte sie nie so kostbare Kleider zu Gesicht bekommen, geschwiegen davon, dass sie je geträumt hätte, solche Stücke zu besitzen. Was sie beunruhigte, war der Spender dieser Kostbarkeiten. Noch immer hatte sie ernsthafte Zweifel an seiner wahren Identität. Es gab Fakten, die dafür sprachen und andere dagegen. Wenn sie jetzt seiner Einladung folgte, würde sie sich nicht in Gefahr begeben? Und selbst wenn er nicht der maskierte Pirat war, was für Absichten hatte er? Sie war offensichtlich weit unter seinem Stand, was eine ernste Absicht, die eine Heirat einbeschloss, wohl unwahrscheinlich machte. Wollte er sie etwa als seine Mätresse. Es war ganz ausgeschlossen, dass sie sich für so etwas hergab, auch wenn sie
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