Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
auf das Abendessen und ging schließlich irgendwann nach Mitternacht zu Bett. Es war nicht die erste Nacht, die sie in diesem Haus ohne ihren Mann verbrachte – ohne überhaupt zu wissen, wohin er gegangen war oder wessen Bett er wärmen mochte. Warum also fühlte es sich heute Nacht wie eine Tragödie an?
Wegen letzter Nacht. Wegen des Tages, den sie zusammen verbracht hatten. Und weil sie sich so sehr wünschte, ihm von Halburne zu erzählen. Sie brauchte eine Schulter zum Anlehnen – und ihr war sehr genau bewusst, dass Kieran ihr helfen konnte. Aber vielleicht schickte er ihr eine Nachricht? Er hatte nie die Absicht gehabt, ihre Beziehung so eng werden zu lassen. Könnte es sein, dass er sich vielleicht auf die einzige Weise von ihr zurückzog, die er kannte?
Sie drehte sich in dem großen, viel zu leeren Bett auf die Seite und zog Chin-Chin an sich. Der Hund schnaubte mitfühlend und leckte ihr die Wange.
»Oh, Chin-Chin«, flüsterte sie. »Wie dumm war ich, mir einzubilden, ich könnte es schaffen, einen Mann zu heiraten, von dem ich mich viel zu sehr angezogen gefühlt habe, und dann die Distanz zu ihm zu wahren.«
Nein, es gab keine Distanz – nicht von ihrer Seite. Und manchmal, so glaubte sie, auch nicht von seiner. Um sich zu trösten, stand sie auf und öffnete die Tür zu Kierans Zimmer, sodass sie ihn hören würde, wenn er zurückkehrte. Im Bett dann seufzte Camille und starrte in das niedrig brennende Feuer im Kamin. Doch immer sah sie in seinen Flammen Lord Halburnes schroffes, von Kummer gezeichnetes Gesicht, und so musste sie den Blick abwenden und sich der trostlosen Leere ihres Zimmers stellen.
Wieder einmal war Camille allein. So allein, wie sie es in der meisten Zeit ihrer Ehe – vielleicht der meisten Zeit ihres Lebens – gewesen war. Camille zog Chin-Chin an sich, der leise schnarchte, und versuchte einzuschlafen.
Es war fast schon um die Mittagszeit des folgenden Tages, als Rothewell sich auf den Rückweg von Surrey nach London machte. Er war ein Narr gewesen zu hoffen, die Reise an einem Tag bewältigen zu können, selbst wenn es nicht geregnet hätte. Am Berkeley Square stieg er ebenso schwerfällig von der Kutsche herunter wie in Selsdon Court, und er sah, so vermutete er, auch nur geringfügig besser aus. Er hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, während er den Wagen einem wartenden Diener überließ. Dann ging er vorsichtig die Treppe hinauf zu Trammel, der ihn erwartete.
»Mylord.« Der Butler zuckte sichtlich zusammen, als sein Blick über Rothewell glitt. »Sie sehen …«
»Schon gut«, unterbrach Rothewell ihn und ging an ihm vorbei. »Wo ist meine Frau?« Trammel folgte ihm die Treppe hinauf. »Lady Sharpe ist zum Tee gekommen«, erklärte er. »Sie hat darauf bestanden, dass Lady Rothewell sie in die Hanover Street begleitet, zum Kartenspielen und zum Abendessen.«
Camille war fortgegangen? Rothewell blieb stehen, er war enttäuscht. Er war zurück nach London geeilt – mit einem Schmerz, der ihm ein Loch von seinem Bauch bis zu seinem Rücken gebrannt hatte, und mit einer Sehnsucht nach Camille, die sein Herz wie einen Schraubstock umklammert gehalten hatte. Er war einfach davon ausgegangen, dass sie … wie überheblich war doch diese Erwartung gewesen.
Seine Schultern fielen herunter. Guter Gott, er fühlte sich wie an der Schwelle zum Tod. Er wollte … sie. Einfach sie – so egoistisch solch ein Wunsch auch sein mochte. Er ging die leere Eingangshalle seines Hauses entlang, lauschte auf das hohle Echo seiner Stiefelabsätze auf dem edlen Holzfußboden. Der Klang eines leeren Hauses. Der Klang dessen, was sein Leben einmal gewesen war.
War es zu spät, fragte er sich, für ihn und Camille? Zu spät für sie, ihren Weg in das Herz des anderen zu finden? Und war es überhaupt fair ihr gegenüber, dass er daran dachte, es zu versuchen? Seine Tage waren gezählt, und es gab wenig, so schien es, was dagegen getan werden konnte.
In diesem Moment überfiel ihn ein stechender Schmerz. Rothewell taumelte, der Raum vor ihm verschwand wie in einem Nebel. »Herrgott!«, keuchte er und hielt sich krampfhaft an der Wand fest.
»Mylord!« Trammel packte ihn am Arm. »Lassen Sie mich Sie zu Bett bringen.«
Rothewell zwang sich, sich aufzurichten, und schüttelte die Hand des Butlers ab. »Holen Sie mir nur meinen Brandy«, keuchte er. »Ich will kein verdammtes Kindermädchen, Trammel. Ich kann allein zu Bett gehen.«
Aber dieses nagende Ungeheuer in ihm hatte seit
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