Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
würdest, dass ich Mitleid mit dem Mädchen hatte?«
»Genug, um sie zu heiraten?«, spottete Xanthia. »Nicht in einer Million Jahren.«
Sie hörte, wie der Glasstöpsel aus der Kristallkaraffe gezogen wurde. Die Hand ihres Bruders war absolut ruhig, als er sich einschenkte. Aber das war sie eigentlich immer. Nur seine Laune schien unter seinen schlechten Gewohnheiten zu leiden. Kieran schlief nicht, wenn er es sollte, er aß nicht, wann er sollte, und er hörte nicht auf zu trinken, wenn jeder andere vernünftige Mann das getan hätte. Das Wort Mäßigung kam in seinem Vokabular nicht vor. Ebenso wenig das Wort Ehe , hätte Xanthia schwören können.
Unvermittelt stellte er die Karaffe wieder hin. »Du wirst ein Kind haben«, sagte er und stützte sich mit beiden Händen auf dem Sideboard ab. Er sah sie nicht an, blickte aber in den goldgerahmten Spiegel, der darüber an der Wand hing. »Du bekommst vielleicht einen Sohn, Nashs Erben. Und Pamela hat dasselbe für Sharpe getan. Manchmal, Zee, beginnt ein Mann – selbst einer, der so tief in die Verderbtheit abgesunken ist wie ich – sich Gedanken um sein Vermächtnis zu machen. Man fragt sich, ob … ob irgendetwas bleiben wird, wenn man nicht mehr ist.«
Endlich wandte er sich zu ihr um. Xanthia sah ihn lange argwöhnisch an. Vermächtnis, verdammt noch mal, dachte Xanthia. Sie hatte von Anfang an vermutet, um was es hier wirklich ging. Und jetzt war sie sich fast sicher. Mitleid genug, um sie zu heiraten? Welch beredten Worte.
»Nein«, sagte sie. »Nein, so kannst du mich nicht irreführen. Du hast nie auch nur einen Gedanken an dein Vermächtnis verschwendet, und du tust es auch jetzt nicht. Vergiss eines nicht, Kieran. Ich habe sie gesehen. Pamela nicht.«
Kieran sah sie seltsam an. »Sei nicht albern«, sagte er. »Du hast doch gerade gesagt, du hast sie zusammen mit Pamela gesehen.«
Langsam schüttelte Xanthia den Kopf. »Nein, ich spreche nicht von Mademoiselle Marchand. Ich spreche von Annemarie.«
Das Gesicht ihres Bruders erstarrte. »Was zum Teufel meinst du damit?«
Aber er wusste, was sie meinte; Xanthia erkannte es an den harten Falten um seinen Mund und dem leichten Zucken seines angespannten Kinns.
»Ich spreche von unserer teuren verstorbenen Schwägerin«, wiederholte sie und schlug einen besänftigenden Ton an. »Ja, Mademoiselle Marchand weist mehr als eine flüchtige Ähnlichkeit mit Lukes toter Frau auf. Das schwarze Haar und die dunkelbraunen Augen. Diese zarte dunkle Haut. Der starke französische Akzent. Vielleicht sieht sie nicht aus wie Annemarie – auch nicht auf die Art, wie Annemaries Tochter aussieht, nein –, aber es gibt einige verblüffende Ähnlichkeiten.«
Ihr Bruder starrte sie an, seine grauen Augen glitzerten wie Silber. »Ich wäre dir dankbar, wenn du diesen Teil der Unterhaltung beendest, Xanthia«, stieß er durch zusammengebissene Zähne hervor. »Geh jetzt. Geh nach Hause. Ich bin müde, und ich wünsche nicht, mir solchen Unsinn anzuhören.«
Xanthia stützte die Hände auf die Armlehnen, um sich zu erheben. »Du kannst es nicht einmal zugeben, nicht wahr?«, entgegnete sie. »Aber das musst du, Kieran. Dieses arme Mädchen verdient es, aus Liebe geheiratet zu werden. Nicht weil du Mitleid mit ihr hast. Nicht weil sie dich an jemanden erinnert, den du einmal geliebt hast, sondern weil …«
»Verschwinde endlich, verdammt!«, explodierte er. Dann, zu ihrem Entsetzen, schleuderte er sein Glas in den Kamin. Kristall brach und splitterte. »Verschwinde, Xanthia! Die Toten sind tot, und sie kommen nicht zurück. Denkst du, ich weiß das nicht? Denkst du das?«
Sein Gesicht war wutverzerrt. Der Brandy war über die aufgehäuften Kohlen geflossen, und zarte blaue Flammen flackerten jetzt auf. Unbehaglich erhob sich Xanthia. Lieber Gott. Sie hatte ihn dieses Mal wirklich nicht so bedrängen wollen. »Kieran, ich wollte doch nie …«
»Verschwinde!«, bellte er. »Du hast es gewollt, Xanthia. Du willst es immer. Du zerrst es immer und immer wieder hervor.« Er presste den Handballen an seine Schläfe, als würde sie schmerzen. »Ich schwöre bei Gott, dass ich manchmal denke, du würdest auch in einer blutenden Wunde noch herumstochern. Aber Luke ist tot. Seine Frau ist tot – und ich habe für ihre Tochter alles getan, was ich konnte. Ich habe meine Pflicht getan, verdammt noch mal.«
»Und Martinique weiß, dass du immer auf sie aufgepasst hast«, sagte Xanthia. »Aber du kannst sie nicht ansehen,
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