Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
eine Weise miteinander verbunden, die er von keinem Menschen würde auseinanderreißen lassen.
Niemand sah Rothewell und Camille an – weder skeptisch noch sonstwie –, als sie in den Salon zurückkehrten. Genau genommen sah man sie so offensichtlich nicht an, dass dieses Unterlassen Camille ein wenig verlegen machte. Sie setzte sich zu Lady Phaedra und verbarg ihre zitternden Hände. Nach einigen Momenten müßigen Plauderns zog sich Rothewell aus den Gesprächen zurück und nahm seine einsame Wache am Fenster wieder auf. Er wirkte seltsam distanziert. Fast, als litte er Schmerzen. Camille bekam plötzlich Angst. War ihr Zusammensein eine Enttäuschung für ihn gewesen?
Die verwitwete Lady Nash setzte sich zu ihnen, und die Unterhaltung drehte sich um die Pariser Mode. Camille antwortete fast wie mechanisch auf die Fragen der Lady. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Xanthia zu ihrem Bruder gegangen war. Sie hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt, und ihre Miene wirkte besorgt. Rothewell sah seltsam blass aus, und er hielt fast beschützend eine Hand auf seinen Magen gepresst.
»Excusez-moi.« Camille stand abrupt mitten in der Diskussion über Damenhüte auf. »Ich … ich muss mit Rothewell sprechen.«
»Mylord, Sie fühlen sich unwohl?«, fragte sie leise und stellte sich neben ihn.
Xanthia warf ihr einen unsicheren Blick zu. »Kieran?«, fragte sie direkt. »Ist dir nicht gut?«
Seine Lippen wurden schmal, wie vor Ärger – oder vor Schmerz –, und auf der Stirn, bemerkte Camille, stand ihm der Schweiß. »Danke, es ist nichts«, brachte er zustande.
Dann, ohne ein weiteres Wort, ließ er die beiden am Fenster stehen und durchquerte den Salon, um sich am Sideboard einen Brandy einzugießen.
Xanthia fluchte leise. » Das ist das Allerletzte, was er braucht.«
Camille dachte, dass Xanthia recht hatte. Aber Rothewell war ein starrsinniger Mann. Sie bezweifelte, dass der Tadel seiner Schwester – oder ihrer – das ändern würde.
Sie musste sich jedoch nicht lange Gedanken über Rothewells Gemütsverfassung machen, denn die ersten Gäste begannen zu gehen. Lady Nash sah erschöpft aus, als sie die letzten Besucher verabschiedete. Sie umarmte alle, Camille eingeschlossen, und schickte sie die Freitreppe hinunter zu den wartenden Kutschen.
Camille stieg in Lord Sharpes viersitzige Barouche und fühlte sich sehr erleichtert, entkommen zu sein. Sie wollte endlich allein sein. Sie wollte in ihrem Bett liegen und über die Bedeutung dessen nachdenken, was sie getan hatte – und, wenn sie ehrlich war, es noch einmal in Gedanken durchleben. Sie schaute auf ihre Hände und bemerkte, dass sie bei der Erinnerung an Rothewells Berührung noch immer ein wenig zitterten. Hastig drückte sie sie auf ihre Knie und zwang sich zu einem Lächeln.
In diesem Augenblick kam Lord Rothewell die Stufen herunter, den Spazierstock in der Hand und seine Schwester an seinem Arm, die ihm eindringlich etwas zuflüsterte.
Lady Sharpe beugte sich aus der noch geöffneten Tür der Kutsche. »Kieran, können wir dich mitnehmen?«
Rothewells Kopf fuhr herum. »Das ist ein Umweg für euch«, antwortete er. Für einen Mann von so dunklem Teint sah sein Gesicht totenbleich aus. Was hatte Lady Nash zu ihm gesagt?
»Oh, komm schon, Kieran«, sagte Lady Sharpe wieder. »Ein Gentleman sollte dafür sorgen, dass seine Verlobte sicher bis an ihre Haustür gelangt, denkst du nicht auch?«
»Du solltest mitfahren«, drängte seine Schwester ihn leise und legte ihm die Hand auf den Rücken.
Lord Sharpe stand noch immer auf dem Bürgersteig und hielt den Kutschenschlag auf. »Das Frauenvolk hat entschieden, alter Knabe. Du kannst ebenso gut in Würde einsteigen.«
Rothewells Miene entspannte sich nicht, aber er dankte Sharpe, stieg ein und nahm gegenüber den Damen Platz. Lady Sharpe redete unentwegt, während die Kutsche ihren Weg durch Mayfair nahm. Camille war neugierig auf Lord Rothewells Haus.
Das Haus lag, wie sich herausstellte, am Berkeley Square und war in der Tat sehr elegant. Camille wunderte sich, dass sie Rothewell jemals für mittellos gehalten hatte. Vielleicht war er zurzeit blank oder vielleicht ganz einfach unfähig, dem Spieldrang zu widerstehen. Aber arm war er ganz gewiss nicht.
Die große Eingangstür wurde geöffnet, und ein Diener erschien, ein schlanker schwarzer Gentleman, der einen absolut eleganten schwarzen Rock trug. Der Butler, dachte Camille, während sie ihn betrachtete.
Rothewell jedoch rührte sich nicht.
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