Bhagavad Gita wie sie ist
gebunden.
ERLÄUTERUNG: Die Erscheinungsweise der Leidenschaft ist durch die Anziehung zwischen Mann und Frau gekennzeichnet. Die Frau verspürt eine Anziehung zum Mann, und der Mann verspürt eine Anziehung zur Frau. Dies ist die Erscheinungsweise der Leidenschaft. Und wenn die Erscheinungsweise der Leidenschaft zunimmt, entwickelt man das Verlangen nach materiellem Genuß. Man möchte die Befriedigung der Sinne genießen. Um der Sinnenbefriedigung willen strebt ein Mann in der Erscheinungsweise der Leidenschaft nach Ehre in der Gesellschaft oder in der Nation, und er wünscht sich eine glückliche Familie mit wohlgeratenen Kindern, einer schönen Frau und einem eigenen Haus. Dies sind die Produkte der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Solange man sich nach diesen Dingen sehnt, muß man sehr schwer arbeiten. Deshalb wird hier gesagt, daß man von den Früchten seiner Handlungen beeinflußt und auf diese Weise durch seine Handlungen gebunden wird. Um seine Frau, seine Kinder und die Gesellschaft zufriedenzustellen und sein Ansehen zu wahren, muß man arbeiten. Daher befindet sich die ganze materielle Welt mehr oder weniger in der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Die moderne Zivilisation gilt als fortgeschritten, da die Erscheinungsweise der Leidenschaft der Maßstab ist. Früher galt eine Gesellschaft als fortgeschritten, wenn sie sich in der Erscheinungsweise der Tugend befand. Wenn es schon für Menschen in der Erscheinungsweise der Tugend keine Befreiung gibt, wie kann es dann für diejenigen Befreiung geben, die in die Erscheinungsweise der Leidenschaft verstrickt sind?
Vers 8
8
tamastvaÁaAnajaM ivaiÜ" maAeh"naM s$avaR$de"ih"naAma, /
‘amaAd"Alasyaina‰"AiBastaiªaba©aAita BaAr"ta //8//
tamas tv ajñāna-jaṁ viddhi
mohanaṁ sarva-dehinām
pramādālasya-nidrābhis
tan nibadhnāti bhārata
tamaḥ – die Erscheinungsweise der Unwissenheit; tu – aber; ajñāna-jam – durch Unwissenheit hervorgebracht; viddhi – wisse; mohanam – die Täuschung; sarva-dehinām – aller verkörperten Wesen; pramāda – mit Verrücktheit; ālasya – Trägheit; nidrābhiḥ – und Schlaf; tat – das; nibadhnāti – bindet; bhārata – o Nachkomme Bharatas.
O Nachkomme Bharatas, wisse, daß die Erscheinungsweise der Dunkelheit, geboren aus Unwissenheit, die Täuschung aller verkörperten Lebewesen verursacht. Die Folgen dieser Erscheinungsweise – Verrücktheit, Trägheit und Schlaf – binden die bedingte Seele.
ERLÄUTERUNG: In diesem Vers ist der besondere Gebrauch des Wortes tu sehr bemerkenswert. Es deutet darauf hin, daß die Erscheinungsweise der Unwissenheit eine sehr absonderliche Eigenschaft der verkörperten Seele ist. Die Erscheinungsweise der Unwissenheit ist genau das Gegenteil der Erscheinungsweise der Tugend. In der Erscheinungsweise der Tugend kann man durch die Entwicklung von Wissen verstehen, was was ist; doch die Erscheinungsweise der Unwissenheit ist das genaue Gegenteil. Jeder, der unter dem Bann der Erscheinungsweise der Unwissenheit steht, wird verrückt, und ein Verrückter kann nicht verstehen, was was ist. Anstatt Fortschritt zu machen, macht man Rückschritt. Die Definition der Erscheinungsweise der Unwissenheit findet man in den vedischen Schriften. Vastu-yāthātmya-jñānāva rakaṁ viparyaya-jñāna-janakaṁ tamaḥ: Im Banne der Unwissenheit kann man die Dinge nicht so verstehen, wie sie sind. Zum Beispiel kann jeder verstehen, daß sein Großvater gestorben ist und daß er daher ebenfalls sterben wird; der Mensch ist sterblich. Die Kinder, die man zeugt, werden ebenfalls sterben. Der Tod ist also eine unumstößliche Tatsache. Dennoch häufen die Menschen wie verrückt Geld an und arbeiten Tag und Nacht sehr hart, ohne sich um die ewige Seele zu kümmern. Das ist Verrücktheit. In ihrer Verrücktheit widerstrebt es ihnen, im spirituellen Wissen Fortschritt zu machen. Solche Menschen sind sehr träge. Wenn sie zu einer Veranstaltung eingeladen werden, bei der es um spirituelles Wissen geht, zeigen sie kein großes Interesse. Sie sind nicht einmal aktiv wie derjenige, der von der Erscheinungsweise der Leidenschaft beherrscht wird. Und so ist es ein weiteres Merkmal von jemandem, der in die Erscheinungsweise der Unwissenheit versunken ist, daß er mehr schläft als nötig. Sechs Stunden Schlaf sind ausreichend, doch ein Mensch in der Erscheinungsweise der Unwissenheit schläft pro Tag mindestens zehn oder zwölf Stunden. Er macht immer einen
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