Bianca Arztroman Band 0011
Emily.”
Kevin sah seiner Schwester sehr ähnlich. Er hatte die gleiche Haar- und Augenfarbe. Der Junge ergriff zögernd Wills Hand. Sein rechtes Auge war deutlich geschwollen, und ein Bluterguss färbte die Umgebung bläulich rot. “Freut mich, Sie kennen zu lernen”, sagte er schließlich.
“Setzen Sie sich neben Emily”, schlug Helen vor und reichte Will die Platte mit den Steaks.
Emily saß mit zusammengepressten Lippen und blassen Wangen am Tisch und schien sich mit großer Mühe zum Essen zu zwingen. Will sah es mit Sorge. Wahrscheinlich ist ihr wieder schlecht, dachte er und warf einen flüchtigen Blick auf ihre zarte Figur. Auf keinen Fall durfte sie noch mehr abnehmen!
“Wie läuft es in der Schule, Kevin?”, fragte er ablenkend und nahm sich eine große Portion Kartoffelpüree. “Du bist zwölf, nicht wahr? Dann musst du in der sechsten Klasse sein.”
“Ja …”
Will grinste. “Als ich in deinem Alter war, hasste ich die Schule”, verkündete er unbefangen.
Kevin riss sein gesundes Auge auf. “Wirklich? Warum?”
“Ich fand sie langweilig, und ich hatte viel Stress mit den Lehrern und den Klassenkameraden. Zum Glück lernte ich Abe Darnell kennen! Er wurde mein Vorbild. Sein guter Einfluss hat mich vor Schlimmerem bewahrt. Ohne ihn wäre ich vielleicht im Knast gelandet.”
“Wirklich?” Kevin schien beeindruckt, und Helen horchte auf, während Emily beharrlich schwieg und appetitlos in ihrem Essen stocherte.
“Ja, wirklich. Bei Gelegenheit erzähle ich dir die Geschichte, wenn du willst.” Er legte Gabel und Messer auf den leeren Teller. “Das war köstlich”, sagte er zu Helen, “es ist sehr lange her, dass ich so gut gegessen habe.”
Helen freute sich über das Kompliment. “Es gibt noch einen Nachtisch. Mögen Sie Bananenauflauf mit Schlagsahne?”
“Oh ja! So etwas bekommt man in keinem Restaurant!” Wills Begeisterung klang echt.
“Dann bitte ich Sie, mit Kevin ins Wohnzimmer zu gehen, während Emily und ich den Nachtisch vorbereiten.”
Kevin und Will standen auf und verließen die Küche. Kevin führte den Gast in eine kleine, wohnliche Stube. “Wollen Sie fernsehen?”, fragte er und drückte auf die Fernbedienung, ohne Wills Antwort abzuwarten.
“Ich würde mich lieber mit dir unterhalten”, erwiderte Will.
Der Junge sah ihn erstaunt an. “Wirklich?”
“Ja, ist das so ungewöhnlich?”
Kevin zuckte die Schultern. “Schon.”
“Erzähl mir von deinen Hobbys”, bat Will.
Wieder zuckte der Junge die Schultern. “Ich mag Computerspiele, Astronomie und Technik.” Er zeigte auf eine halb fertige Metallkonstruktion in der Ecke des Zimmers.
“Du hast also einen Computer?”, fragte Will.
“Ja. In meinem Zimmer. Aber Emily will nicht, dass ich einen Internetanschluss bekomme. Sie hat Angst, dass ich den ganzen Tag im Netz herumsurfe, Pornos anschaue oder mit irgendwelchen Typen quatsche!” Er schüttelte frustriert den Kopf. “Sie hat keine Ahnung von den Vorteilen! Die Hausaufgaben sind viel einfacher, wenn man Infos aus dem Internet abrufen kann! Fast alle in meiner Klasse haben einen Netzanschluss!”
“Meinetwegen kannst du bei mir surfen, wenn du Lust hast, und wenn Emily es erlaubt.”
“Cool!”, rief Kevin erfreut aus. “In der Stadtbücherei darf man höchstens dreißig Minuten lang surfen.”
“Du verstehst also etwas von Technik?” Er warf einen Blick auf die halb fertige Raumstation. “Was ist das?”
“Die Raumstation MIR. Sobald ich auf der High School bin, will ich mich auf Elektronik spezialisieren.” Er warf einen Blick auf die Lampe an der Decke. “Ich mache auch die meisten Reparaturen bei uns im Haus”, berichtete er stolz. “Neulich habe ich sogar zwei Steckdosen ausgewechselt. Aber es hat keinen Spaß gemacht, weil Em mich dauernd gestört hat. Sie hatte Angst, mich könnte der Schlag treffen!”
Will grinste. “Das kann ich mir gut vorstellen!”
“Dabei war alles ganz harmlos! Ich hatte die Hauptsicherung ausgeschaltet, aber sie blieb misstrauisch. Es war ganz schön nervig!”
“Wahrscheinlich denkt sie, dass du immer noch der kleine Junge bist”, meinte Will. “Lass ihr Zeit. Sie wird sich daran gewöhnen, dass du langsam erwachsen wirst.”
“Meinen Sie?”
“Ganz bestimmt!”, versicherte Will.
“Wie lange kennen Sie meine Schwester?”, fragte Kevin plötzlich.
“Seit ich in Crossbow bin, und das sind jetzt vier Monate.”
Kevin nickte. “Mit Don konnte ich nichts anfangen”,
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