Bianca Arztroman Band 0011
sagen, okay?”
“Werden Sie einen Kaiserschnitt machen?”, fragte Molly leise.
Er schüttelte den Kopf. “Zu spät.”
Emily schluckte und nahm Ramonas Hand, um der jungen, verwirrten Frau beizustehen. “Entspannen Sie sich, Ramona. Ihre Schmerzen werden bald aufhören. Man hat immer Schmerzen, wenn man ein Baby bekommt.”
Ramona sah sie mit glasigen Augen an. “Ich bekomme kein Baby! Woher soll ich ein Baby bekommen?”
Emily sah auf. Will und Molly zuckten hilflos die Schultern. Ramona begann wieder zu schreien, als sie von einer heftigen Wehe gepackt wurde. “Ich will nach Hause!”, schrie sie und versuchte, aus dem Bett zu springen. Emily verhinderte es im allerletzten Augenblick.
Will wurde zornig. “Bleiben Sie liegen, Ramona”, sagte er streng. “Wir können Ihnen sonst nicht richtig helfen!” Er sah sich um. “Wir brauchen noch eine zweite Person, um sie festzuhalten.” Er wandte sich an Molly. “Holen Sie rasch eine andere Schwester von irgendeiner Station!”
Im selben Augenblick ging die Tür auf und Jacqueline sah herein. “Alles okay?”, fragte sie süßlich.
“Gut, dass Sie kommen”, rief Will. “Helfen Sie Emily!”
Jacquelines strahlende Miene verdunkelte sich. Mit Arbeit hatte sie nicht gerechnet, als sie sich wichtig machen wollte! Unwillig folgte sie Wills Befehl, und Emily fragte sich zum hundertsten Mal, warum Jacqueline eine Krankenschwesternausbildung gemacht hatte. Ihr Berufsinteresse war gleich null. Sie hatte nur ein einziges erkennbares Ziel. Sie arbeitete im Klinikmilieu, um sich einen gut aussehenden, wohlhabenden Arzt zu sichern!
Die Presswehen hatten eingesetzt, und während sich Will mit Molly um die Entbindung kümmerte, hatten Emily und Jacqueline alle Hände voll zu tun, die wild um sich schlagende Ramona festzuhalten und zu beruhigen.
Endlich war das Kind geboren. Es war ein kleines Mädchen mit bläulich verfärbter Haut. Die Nabelschnur war fest um seinen Hals geschlungen. Offenbar war das Kind schon ein paar Tage tot.
Emily nahm das kleine Bündel und säuberte zärtlich sein Gesicht. “Wollen Sie es sehen, Ramona?”, fragte sie vorsichtig.
Aber Ramona sah sie nur verständnislos an, ehe sie sich abwandte und mit leeren Blicken auf die weiße Wand starrte. Sie begriff nicht, was mit ihr geschehen war.
Emily schluckte. Niemand würde um dieses kleine Wesen trauern. Nicht die eigene Mutter, kein Vater, keine Geschwister.
Molly kam näher. Sie hatte Emilys trauriges Gesicht gesehen. “Gib mir die Kleine”, sagte sie. “Ich mache sie fertig, und bringe sie nach unten.”
Aber Emily schüttelte den Kopf. “Nein, ich schaffe das schon, Molly”, sagte sie leise. “Es ist nicht das erste Baby, das tot geboren wurde …” Sie schluckte tapfer. “Damit müssen wir leben, hier auf der Entbindungsstation.”
“Ich weiß, aber wenn man selber ein Kind erwartet, ist man näher dran. Du musst nicht unnötig tapfer sein, Em.”
“Danke für dein Verständnis, Molly, aber es macht mir nichts aus. Im Gegenteil, ich möchte die Kleine noch eine Weile behalten. Kümmert euch um Ramona. Sie ist ein bedauernswertes Menschenkind!”
Emily drückte das Baby zärtlich an sich, badete es und wickelte es in ein weiches Tuch, während Molly und Jacqueline mit Ramonas Pflege beschäftigt waren. Dann ging sie mit dem toten Baby im Arm die Treppen hinunter, um es in die Leichenhalle zu bringen.
Sie sah Will, der müde und erschöpft am Schreibtisch stand und ein paar Eintragungen machte. Und plötzlich war da Jacqueline, die auf ihn zustürmte und sich an seine Brust warf. “Es war schrecklich”, heulte sie. “Ich weiß nicht, wie ich damit fertig werden soll!” Sie klammerte sich an ihn, als fürchtete sie unterzugehen!
Emily blieb wie angewurzelt stehen, unfähig sich zu bewegen. Mit großen Augen starrte sie auf die theaterreife Szene, die Jacqueline inszenierte. Sie sah, dass Will ihr beruhigend auf den Rücken klopfte und irgendetwas sagte.
Dann tauchte Molly auf. “Was geht hier vor?”, fragte sie misstrauisch.
Emily presste das Baby an sich. “Ich … ich bringe es nach unten …”, stammelte sie und rannte los.
“Em! Was hast du?”, rief Molly besorgt.
“Nichts …” Sie warf einen letzten Blick auf Will und war verschwunden.
Sie war verletzt, traurig, empört, wütend und hilflos. Für sie, die selber ein Baby erwartete, war das tote Kind am schwersten zu verkraften. Aber stattdessen hatte Jacqueline sich mit einer falschen Trauer
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