Bianca Arztroman Band 0011
Rücksicht auf den anwesenden Beamten. “Du hast einen langen, anstrengenden Tag hier bei uns. Ein guter Arzt kennt seine Grenzen und akzeptiert sie. Deine Aufgabe endet mit der physischen Erstversorgung in unserer Ambulanz! Du kannst dir nicht jeden Fall zu Herzen nehmen! Sonst bist du rascher am Ende, als dir lieb ist! Ich dachte eigentlich, dass wir dieses Thema ausdiskutiert hätten!”
Sie hob den Kopf. Kampfbereit. “Ich engagiere mich nicht bei jedem Patienten”, entgegnete sie und wandte sich wieder dem Polizisten zu. “Bei Naomi Wilson liegen die Dinge anders. Ich glaube nicht, dass ein Gerichtsverfahren ihr weiterhilft. Ich bin keine Psychologin, aber ich spüre, dass dieses Mädchen etwas anderes braucht. Liebe, Fürsorge, Anerkennung. Menschen, die an sie glauben. Ich würde gern mit den Geschädigten sprechen. Vielleicht gibt es einen anderen Weg!”
Colin Wright sah skeptisch aus. “Ich fürchte, das ist zu spät”, sagte er. “Inzwischen haben sich nämlich die Eltern des Mädchens der juristischen Seite angenommen und den Geschädigten ein großzügiges Geldangebot gemacht. Als Wiedergutmachung, wie sie sich ausdrückten. Aber die Opfer sahen das anders. Sie wurden sauer, weil sie sich erpresst fühlten. Sie wollten sich nicht mit Geld abspeisen lassen, sondern bestanden darauf, dass sich das Mädchen selbst zu verantworten hat, anstatt sich einfach mit dem Geld seiner reichen Eltern freizukaufen.”
Anna seufzte. “Der Meinung bin ich auch”, stimmte sie zu. “Aber geht es nicht ohne Gericht? Naomi kann auf andere Art und Weise die Sache in Ordnung bringen. Ich weiß, dass es heutzutage alternative Möglichkeiten gibt. Bedenken Sie bitte, dass sie noch ein Kind ist!”
“Vergessen Sie nicht die Eltern”, warnte Colin Wright. “Nachdem ihr Erpressungsversuch gescheitert ist, setzen sie auf eine rasche Beilegung der Affäre. Sie wissen, dass ihr Name nicht publik gemacht wird, da das Mädchen vor ein Jugendgericht kommt, wo Öffentlichkeit und Presse ausgeschlossen sind.”
“Natürlich”, rief Anna bitter. “Hauptsache, die Eltern Wilson und ihr Unternehmen kommen ungeschoren davon! Ihre Tochter ist ihnen egal! Das finde ich schlimm!”
Der Polizist wurde schwankend.
Kein Wunder, dachte Pete. Ein Blick in Annas bittende blaue Augen … Er konnte dem Mann nicht verdenken, dass er weich wurde!
“Okay”, lenkte er ein, “ich werde mich persönlich für den Fall einsetzen und versuchen, mit den beiden Parteien zu reden, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Aber versprechen kann ich nichts!”
Anna schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. “Das ist sehr großherzig von Ihnen! Ich bin sicher, dass es eine andere Lösung für Naomi gibt. Eine Lösung, die allen Beteiligten mehr bringt als ein Auftritt vor Gericht. Mit meiner Hilfe kann sie jedenfalls immer rechnen!”
Pete wartete, bis Colin Wright gegangen war. Aber dann hielt ihn nichts mehr zurück.
“Anna! Naomi Wilson ist nicht deine Tochter! Du kannst nicht einfach ihr Leben in die Hand nehmen!”
“Das ist auch nicht meine Absicht! Ich will ihr nur helfen. Sie war früher einmal mit Jackie befreundet!”
Er schüttelte den Kopf. “Es gibt sicher eine Menge junger Leute, die einmal mit Jackie oder Josh befreundet waren! Das ist kein Argument, Anna! Ich bin strikt dagegen, dass du dir noch mehr Arbeit und Verpflichtungen auferlegst! Das ist meine Meinung, und die würde ich jeder anderen Person in deiner Lage auch sagen!”
“Und was ist mit dir? Zufällig weiß ich, dass du Janice Jennings am letzten Wochenende aufgesucht hast!” Sie warf ihm einen triumphierenden Blick zu.
“Richtig! Und warum wohl? Ich war besorgt, weil ich der seltsamen Konstellation in ihrem Haus nicht traute! Ihr gewalttätiger Vater und der bullige, tätowierte Freund unter einem Dach! Wer hat sich in das Privatleben der Jennings eingemischt? Das bist du gewesen, Anna!”
“Janice und Tim haben sich im Wartezimmer der Ambulanz getroffen, und dabei hat es gefunkt! Ich war noch nicht einmal in der Nähe”, konterte sie. “Aber da wir gerade beim Thema sind, Pete Jackson, möchte ich dir auch etwas sagen. Etwas, das mir schon lange auf die Nerven geht!” Sie holte tief Luft, als brauchte sie einen langen Atem für das, was folgte. “Ich habe keine Ahnung, warum du mich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit irgendwelchen Männern bekannt machst! Ich möchte das nicht! Es stört mich! Ich bin glücklich, zufrieden und
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