Bianca Arztroman Band 0026
Mensch längst gewusst, oder?
Sams Gesicht färbte sich ungesund rot. “Du hast Wahnvorstellungen, Madison. Ich würde niemals zulassen, dass du die Stadtgrenze überschreitest, noch viel weniger, dass du auch nur einen Fuß ins Springdale General Hospital setzt.”
“Also, Sam, da muss wohl jemand sein Okay gegeben haben, als du einen Moment nicht hingesehen hast. Vielleicht warst du gerade mit deinem Amigo John Polsen auf dem Golfplatz und deshalb unabkömmlich?”
Diese Angelegenheit war mehr als acht Jahre her, aber er reizte Sam damit noch immer bis aufs Blut. Damals hatte Grant gerade vier Wochen seines praktischen Jahrs am Krankenhaus hinter sich, als ein Unfall auf der Autobahn die Notaufnahme mit Verletzten überschwemmt hatte. Einer von ihnen war zufällig John Polsen gewesen, und obwohl seine Verletzungen nicht allzu schwer waren, hatte Sam aufgrund seiner Stellung erreicht, dass er an die Spitze der Behandlungsliste gesetzt worden war.
Nassforsch und politisch unerfahren, hatte Grant etwas getan, was keiner gewagt hatte. Er hatte dem Verwaltungsdirektor mit deutlichen Worten gesagt, er solle sich um das kümmern, was er am besten könne — das Krankenhausbudget managen —, und die medizinischen Entscheidungen denen überlassen, die wüssten, welche Seite des Stethoskops sie benutzen sollten.
Dass Sam unzweifelhaft im Unrecht gewesen war, änderte nichts an der Tatsache, dass er öffentlich von einem gewöhnlichen Arzt in Praxis gedemütigt worden war. Von diesem Tag an hatte Sam dafür gesorgt, dass Grant immer am Ende der Reihe stand, egal wo er sich auch anstellte.
Es verschaffte Grant nun eine große innere Genugtuung, diesem Mann unter die Nase zu reiben, dass er von seinem alten Feind ausgetrickst worden war. Von seiner Sicht aus würde er niemals mit Olivias Vater quitt sein. Die Bitterkeit saß zu tief. Auf beiden Seiten.
“Du warst schon ein arroganter Bastard, als du das Staatsexamen keine fünf Minuten in der Tasche hattest. Offensichtlich hat sich daran nichts geändert”, knurrte Sam. “Es ist nicht dein Verdienst, dass John Polsen am Leben blieb, nachdem er in der Notaufnahme eingeliefert wurde.”
“Quatsch, Sam!”, erklärte Grant fröhlich. “John Polsen ist wie du — zu fies, um zu sterben.”
“Hört auf, beide!”, bat Olivia voller Furcht. “Um alles in der Welt, Grant, siehst du denn nicht, dass mein Vater nicht gesund ist? So etwas ist einfach zu viel für sein Herz.”
Zu viele T-Bone-Steaks, Portwein und dicke Zigarren sind die wahre Ursache, hätte Grant gern erwidert. Aber er sah, noch mehr Stress hielt Olivia nicht aus. Ihre Augen waren dunkel vor Sorge, und sie legte dem alten Mann mütterlich den Arm um die Hüfte. “Reg dich nicht auf”, sagte sie beruhigend. “Das ist es nicht wert.”
“Vielleicht solltest du ihm einen Platz im Schatten suchen”, schlug ihr Grant vor, denn selbst ihn beunruhigten nun Sams schweres Atmen und der plötzliche Schweißausbruch auf seiner Stirn.
Der böse Blick, den sie ihm zuwarf, hätte jeden Verkehr zum Erliegen gebracht. “Du musst mir wohl kaum sagen, was ich mit meinem Vater tun sollte. Im Gegenteil, angesichts der Umstände bist du der Letzte, an den ich mich um Rat wenden würde.”
“Dann hilf dir selbst.” Er zuckte mit den Schultern und deutete mit dem Kopf hinüber zum Büfett, das sich unter der Last der Hummermayonnaise, Scampis in Aspik, geräuchertem Truthahn und Roastbeef förmlich bog. “Aber wenn du ihm einen echten Gefallen tun willst, lass ihn nicht in die Nähe der Fressmeile dort!”
Da sie wusste, dass er Recht hatte, führte sie ihren Vater zu einem Tisch im Schatten einer uralten Eiche und rückte ihm einen der Stühle zurecht. Gleich gesellte sich Henry Colton zu ihnen. Was für ein Bild sie boten: Er fächelte dem alten Mann Luft zu und sabberte dabei beinahe vor Gier nach Olivia. Sam saß da und hielt Hof wie ein König, und Olivia, die pflichtbewusste Tochter, wartete nur darauf, ihm jeden Wunsch von den Lippen abzulesen.
Justin kam gerade zufällig vorbei, und Grant deutete mit dem Kopf auf das Trio. “Ist das nicht ein perfektes Bild?”
“Du meinst, abgesehen davon, dass du nicht dort drüben stehst?”, meinte Justin ironisch.
Grant schnaubte und ließ sich zu einer nicht druckreifen Äußerung hinreißen. “Man wird mich kaum vermisst haben! Aber es ist schon ein trauriger Anblick, eine Achtundzwanzigjährige zu erleben, deren höchstes Lebensziel darin besteht, für
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