Bianca Arztroman Band 0026
Olivia!”, ermahnte sie sich streng. “Nach dem Debakel am Samstag wird es nicht einfach sein, der Öffentlichkeit wieder unter die Augen zu treten, aber du hast schon Schlimmeres überstanden!”
Eine Stunde später war sie sich dessen längst nicht mehr so sicher.
“Ich habe gehört, Ihr Mann ist wieder in der Stadt”, begrüßte sie Ingrid, die einen kleinen Delikatessenladen besaß, als sie auf dem Weg ins Krankenhaus vorbeischaute. “Man hört, Ihr Vater wäre fuchsteufelswild deswegen.”
Es gab nicht viel, was Ingrid nicht mitbekam. Der kleine Laden war der Treffpunkt gelangweilter Matronen, und der Klatsch blühte dementsprechend. Die Rückkehr des Dr. Madison musste natürlich Schlagzeilen machen, selbst wenn er im Schutz der Dunkelheit in die Stadt geschlichen wäre. Olivia war nicht die Einzige, die sein lässiges, sexy Lächeln und seine tiefe, samtene Stimme einfach unwiderstehlich fand.
“Ich nehme ein Glas schwarze Oliven und etwas von dem Bohnensalat”, sagte Olivia steif und hoffte, damit die Unterhaltung im Keim zu ersticken. “Und nur damit es nicht zu Missverständnissen kommt, er ist mein Exmann!”
Leise Andeutungen zu verstehen, war leider noch nie Ingrids Stärke gewesen. “Glauben Sie nicht, die Leute hätten Tomaten auf den Augen, Honey. Plötzlich gibt es eine ganze Reihe von Partys und Veranstaltungen in der Stadt, und wie gewöhnlich ist Mrs. Bowles dabei an vorderster Front. Schon gestern hat sie mich für eine Gartenparty gebucht und dabei unauffällig betont, Mr. Madisons Name stünde an oberster Stelle auf der Gästeliste. Und ich schätze, wir alle kennen auch den Grund dafür.” Sie wog Salat ab, drückte den Plastikdeckel auf das Behältnis. Dann drückte sie ihren wogenden Busen gegen die Glasscheibe der Käsetheke, ein sicheres Zeichen, dass sie wild entschlossen war, weiterzutratschen. “Sie hat doch nicht umsonst rund achttausend Dollar ausgegeben, um ihre Tochter vorzeigbar zu machen. Nun, da Joanne ihre Zahnklammer los ist und einige Kilo Übergewicht dazu, sucht Mrs. Bowles nach dem geeigneten Ehemann für ihre Tochter. Einem reichen Ehemann. Und wenn der Wagen, den Ihr Exmann fährt, ein Indiz ist, dann nagt er nicht gerade am Hungertuch.”
“Leider kann ich mich dazu nicht äußern, da ich nicht weiß, was für einen Wagen er fährt, und es mich auch nicht interessiert.”
“Nun, das glaube ich gern”, meinte Ingrid mit schlauem Blick. “Ich nehme an, Sie waren hinreichend damit beschäftigt herauszufinden, was er sonst noch zu bieten hat. Denken Sie über eine erneute Ehe mit ihm nach?”
“Absolut nicht!”
“Vielleicht ist das auch nur gut. Nach all dem, was ich gehört habe, ist er für eine Frau wie Sie wirklich eine Nummer zu heftig.”
Unter Ingrids Blick fühlte Olivia sich wie der Sprössling eines Trolls, der versuchte als Mensch durchzugehen.
“Vielen Dank für die Blumen!”, sagte Olivia und machte, dass sie hinauskam. Doch anstatt gleich ins Krankenhaus zu fahren, nahm sie einen Umweg durch den Park. Sie fand eine ruhige, abgelegene Bank mit Aussicht auf den Fluss. Sie brauchte einen Moment der Besinnung. In ihrem gegenwärtigen Zustand sollte sie besser keinem Menschen über den Weg laufen.
Warum hatte sie Ingrids letzte Bemerkung so verletzt, wo sie selbst doch schon vor Jahren zur gleichen Einschätzung gekommen war? Warum machte es ihr etwas aus, dass jede heiratsfähige Frau in näherem Umkreis einen Blick auf Grant Madison werfen wollte? Oder dass Einladungen verschickt wurden, sie aber wohl keine erhalten würde? Und warum konnte sie nicht vergessen, wie es gewesen war, wieder in seinen Armen zu liegen, sein Herz unter ihrer Hand klopfen zu fühlen?
Sie kannte die Antwort, und es hatte nichts damit zu tun, sich vielleicht wieder zu verlieben — zumindest nicht in ihn. Es hatte mit seiner leider treffenden Einschätzung ihrer Beziehung zu Henry zu tun.
Sie war eine Frau in den besten Jahren. Sie sollte verheiratet sein und Kinder haben. Sie sollte einen warmen, aufregenden Körper nachts im Bett neben sich liegen haben.
Stattdessen hatte sie Henry, der mehr als einmal angedeutet hatte, dass er sie liebte. Aber der Gedanke, wirklich mit ihm zu schlafen, ließ sie erschreckend kalt. Und glücklicherweise war er viel zu gut erzogen, um sie in dieser Hinsicht zu drängen. Ganz anders hingegen Grant …
Unerwünscht kehrten Erinnerungen an den längst vergangenen Sommer zurück. Sie war damals noch nicht ganz zwanzig
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