Bianca Arztroman Band 0026
auf einmal der Moment vor Augen, als sie Grant das erste Mal gesehen hatte.
Ärzte hatten normalerweise keine atemberaubend breiten Schultern und schmale Hüften. Normalerweise waren sie nicht gesegnet mit muskulösen Armen und langen, athletischen Beinen. Sie waren fleißig und ernst und freundlich und ließen ein wenig die Schultern hängen, wie Henry. Und wie ein Arzt splitterfasernackt aussah, war eigentlich auch nicht das, an was eine Frau als Erstes denken sollte, wenn sie ihm gegenüberstand.
Gott sei Dank hatte Henry nicht die blasseste Ahnung, was ihr gerade durch den Kopf ging. “Olivia, soll ich dir diesen Kerl vom Leib schaffen?”, tönte er großspurig.
“Es ist schon gut, Henry”, sagte sie, wie gebannt von Grants lachenden blauen Augen. Eine Hitzewelle breitete sich in ihrem Körper aus. “Damit komme ich allein zurecht. Wenn Dr. Madison tanzen möchte, werde ich ihm seinen Wunsch erfüllen.”
Sie schlug alle Bedenken in den Wind und überließ sich Grants Führung bei den heißen, verlockenden Rhythmen von Tina Turners Proud Mary . Und als wäre es erst gestern, entdeckten sie neu den wortlosen Gleichklang zweier Körper, die instinktiv wie ein einziger handelten.
Wie war es möglich, beim Tanzen voll vibrierender Energie zu sein und doch zugleich dahinzuschmelzen vor sehnsüchtiger Lust?
Dann, als sie es nicht mehr länger aushielt und sicher war, dass alle um sie herum wussten, wie es um sie stand, hatte sie die Chance verpasst, von ihm loszukommen. Die Musik wechselte zu einem langsamen, romantischen Song, der engen Körperkontakt und Intimität einfach erforderte. Sie hatte es zugelassen, dass er sie dicht an sich zog und ihr leise die verführerischen Worte von This Guy’s in Love ins Ohr hauchte. Worte, die ihr das Herz brachen, denn er hatte sie nie wirklich geliebt.
Ihre Augen wurden feucht, und damit es niemand bemerkte, legte sie den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Er gab einen leisen zufriedenen Laut von sich und legte ihre Hand auf sein Herz. Gleichzeitig schob er sein Becken vor, sodass sie deutlich spürte, wie es um ihn stand.
Olivias Wehmut schlug in Zorn um. Bei Grant lief es immer wieder auf das eine hinaus: Sex, Sex und noch einmal Sex. Als würde das ausreichen, sie seinen Schmerz und Betrug vergessen zu lassen.
Um ihm zu zeigen, wo die Grenzen lagen, zuckte sie zurück und giftete ihn an: “Wie kannst du es wagen, Grant Madison?”
“Nun”, murmelte er mit offensichtlicher Reue, “es ist ja nicht so, dass ich mit dem verdammten Ding zur Schule gegangen bin, wo man ihm beigebracht hat, auf Kommando zu gehorchen! Wenn eine Frau ihren hübschen weichen Körper an einen Mann presst, reagiert er eben so.”
Zu spät erkannte sie, dass die Musik aufgehört hatte. Einige der Gäste kicherten und flüsterten, andere starrten sie direkt an. Hatten die Leute um sie herum etwa ihren Wortwechsel mitbekommen?
Vielleicht genießen sie auch einfach nur die Hochzeitsparty, versuchte sie sich zu beruhigen. Ganz bestimmt taten sie es. Aber durfte eine Frau ihrer gesellschaftlichen Stellung Grant Madison mit seinem abscheulichen Benehmen einfach stehen lassen und davongehen? Oh nein, nicht Olivia Madison Whitfield! Und als hätte sie den Leuten nicht schon genug geboten, holte sie aus und versetzte ihm als großes Finale eine kräftige Ohrfeige.
Bei der Erinnerung daran stöhnte Olivia auf, holte tief Luft und tauchte mit dem Kopf unter Wasser. Sie wünschte, sie könnte sich ertränken. Wie sollte sie sich nach einem solchen Auftritt jemals wieder unter die Leute wagen? Und noch schlimmer, wie sollte sie ihm jemals wieder gegenübertreten?
Leider würde ihr nichts anderes übrig bleiben, wenn er während der nächsten zwei Monate Justin Greer vertrat.
2. KAPITEL
Olivia versteckte sich zwei volle Tage vor der Welt. Sie stellte ihr Telefon ab, stürzte sich in notwendige handwerkliche Arbeiten am Pförtnerhaus. Sie verbrachte den Sonntagmorgen damit, die Toilette am Ende des Flurs zu streichen und jätete am Nachmittag den Blumengarten, der sich an den Patio anschloss.
Dank ihrem Highspeed-Internetanschluss konnte sie am Montag ihre gesamte Arbeit vom Haus aus erledigen, ohne auch nur einen Fuß vor die Tür setzen zu müssen. Aber als sie sich dann bei dem Gedanken ertappte, Unwohlsein vorzutäuschen, um an der geplanten Sitzung im Springdale General Hospital am Dienstag nicht teilnehmen zu müssen, machte sie einen Punkt.
“Werde endlich erwachsen,
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