Bianca Arztroman Band 0026
nicht wieder an, es gäbe nichts, dann bekomme ich nämlich einen Anfall und schreie alle hier in diesem Mausoleum zusammen.”
“Die Sache zwischen Grant und mir ist schlecht gelaufen.”
“So schlau bin ich auch. Aber mich interessiert, wieso du das zugelassen hast.”
Olivia starrte aus dem Fenster. “Damit eine Beziehung läuft, müssen beide es wollen, Bethany.”
“Oh, verdammt!” Bethany berührte reumütig ihre Hand. “Tut mir leid. Ich wollte nicht gleich mit Kanonen auf dich schießen. Ich hatte nur gedacht, er wäre der richtige Mann für dich.”
“Ich auch, aber was ich ihm bieten konnte, reichte ihm nicht.” Olivia musste schlucken. “Er wollte der einzige Mann in meinem Leben sein. Er wollte, dass ich mich zwischen ihm und meinem Vater entscheide. Er versteht nicht, dass in meinem Herzen Platz genug für beide ist.”
“Dann ruf ihn an und wasch ihm kräftig den Kopf. Oder noch besser, erkläre es ihm persönlich. Männer können manchmal ziemlich beschränkt sein.”
“Nein.” Olivia schob ihr kaum berührtes Essen zurück. “Er hat sehr deutlich gemacht, was ich auch sage, es interessiert ihn nicht.”
“Dann lass ihn eine Weile im eigenen Saft schmoren. Vielleicht kommt er dann wieder etwas zu Vernunft. Soweit ich es beurteilen kann, war er ebenso in dich verliebt wie du in ihn. Aber nun iss weiter. Es hat keinen Sinn, vor Hunger zu sterben, und du siehst schrecklich aus.”
Aber Olivia hatte schon seit einigen Tagen keinen Appetit mehr. Immer wieder musste sie daran denken, wie Grant am Flughafen von Calgary ausgesehen hatte. Verletzt und betrogen und so zurückgezogen, dass sie ihn nicht erreichen konnte.
“Ich bin nicht hungrig”, erklärte sie. “Und in der letzten Zeit wird mir vom Essen immer schlecht.”
Bethany sah sie scharf an. “Gib diesen Mann nicht ohne Kampf auf, Olivia. Unter dem ganzen anderen Schrott seiner Gattung ist er wirklich ein Goldstück.”
“Dafür ist es zu spät. Wir haben zu viel Porzellan zerschlagen.”
“Quatsch, es ist niemals zu spät!”, schimpfte Bethany. “Nicht, solange noch Leben in deinem Körper ist. Ihr zwei habt einfach zu viel Gemeinsames, als dass du aufgeben solltest.”
“Aber welchen Sinn hat es denn, es zu versuchen, wenn er bei den ersten Anzeichen von Problemen alles einreißt, was wir mühsam aufgebaut haben?”
“Geh zu ihm, Olivia. Mach ihm klar, wie viel dir daran liegt. Bring ihn dazu, dass er aufhört, sich und dich zu bestrafen.”
Olivia dachte darüber nach und war schon fast entschlossen, Bethanys Rat zu folgen — bis ihr ihr Arzt den Grund dafür erklärte, warum sie selten ihr Frühstück bei sich behalten konnte und abends immer schrecklich müde war.
Sie war schwanger! Nach dem ersten Schock wurde ihr klar, dass Grant ein Recht darauf hatte, es zu wissen. Dann fiel ihr wieder ein, wie er sie damals beschuldigt hatte, mit einem Kind die Ehe retten zu wollen. Aber wenn sie ihm diesmal deutlich machte, dass sie nichts von ihm wollte? Vielleicht würde er dann nicht mehr so hart und abweisend sein …
Olivia vertraute sich Bethany an. “Vielleicht sollte ich ihn heute Abend anrufen?”, überlegte sie unsicher.
Bethany schnaubte verächtlich. “Anstatt den leichten Weg zu wählen, solltest du dich ins nächste Flugzeug setzen und es ihm ins Gesicht sagen. Zumindest kann er dann nicht einfach wieder auflegen.”
Beinahe hätte Olivia es getan. Sogar einen Flug buchte sie. Aber an dem Abend vor ihrem Abflug hatte ihr Vater einen neuen Herzanfall, und diesmal war es mehr als nur eine Warnung. Keiner der Ärzte konnte sagen, ob er diesmal überlebte.
Der Winter brach in diesem Jahr früh über Vancouver herein, mit grauem Himmel, Nieselregen und Nebel über den Bergen. Das Wetter entsprach genau Grants Stimmung. Er hatte nicht erwartet, dass er mehr als eine, zwei Wochen brauchen würde, das Fiasko am Lake Louise zu verdauen. Wie oft eigentlich musste ein Mann denselben Fehler begehen, ehe er daraus lernte?
Er lud sich so mit Arbeit voll, übernahm so viele Extraschichten, dass die Oberschwester ihn eines Tages fragte, ob er seinen ständigen Wohnsitz nun im Krankenhaus hätte. Damit lag sie nicht einmal verkehrt, denn sein Apartment hatte jeden Reiz für ihn verloren.
Alle anderen um ihn herum hatten jemanden, zu dem sie gehen konnten, der sie zu Hause willkommen hieß. Ihm waren nur Erinnerungen geblieben. Erinnerungen, die er gern losgeworden wäre, aber nicht loswurde.
Olivia, wie sie
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