Bianca Arztroman Band 0031
füllen. Sie starrte in Nialls neugieriges Gesicht und überlegte, ob es auf dem Planeten überhaupt genug Luft gab, nach der sie schnappen konnte …
In der Herzgegend fühlte sie ein starkes Pochen, ihr Kopf war vernebelt, und dennoch versuchte sie, ihre Haltung wiederzugewinnen. “Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen.”
“Das habe ich bemerkt.” Seine tiefe Stimme schmiegte sich wie eine schnurrende Katze an ihr strapaziertes Nervensystem. Sarah zuckte zusammen, als ein Kribbeln ihren ganzen Körper durchlief, und Niall schien das bemerkt zu haben, denn er ließ sie sofort los.
“Ihre Schicht ist zu Ende”, sagte er mit diesem irritierenden Unterton.
“J…ja. Es war eine lange Nacht, und ich freue mich schon auf mein Bett.” Sie brachte ein Lächeln hervor und hoffte, dass er ihre Nervosität für Müdigkeit hielt. “Es tut mir leid, dass ich Sie angerempelt habe.”
“Das macht nichts”, sagte er ungeduldig, und in diesem Augenblick huschte ein seltsamer Ausdruck über sein Gesicht.
“Sarah, ich …”
“Sarah! Schön, dass ich dich noch erwische.”
Vom anderen Ende des Flurs kam Mike auf sie zu. Im Bruchteil einer Sekunde verwandelte sich Nialls Gesicht in eine ausdruckslose Maske. Mike sah unsicher von einem zum anderen, als er sie erreicht hatte.
“Es tut mir leid, dass ich eure Unterhaltung störe, aber ich wollte dich fragen Sarah, ob ich dich nach Hause fahren soll.”
“Ja, gerne, Mike. Das wäre wunderbar.” Sie schaffte es irgendwie, ihre Stimme ruhig zu halten, obwohl ihr Herz einen Trommelwirbel vollführte. Sie warf Niall einen kurzen Blick zu und fragte sich, was er ihr wohl hatte sagen wollen, als sie unterbrochen wurden. Aber sein Ausdruck verriet nichts, und er verabschiedete sich ruhig und ging einfach weiter.
“Fertig?” Mike lachte und legte einen Arm um ihre Schultern, während sie zum Ausgang gingen. Sarah versuchte so gut es ging auf seine lässige Art einzugehen, aber sie war glücklich, als sie hinter ihm auf dem Motorrad saß, wo es unmöglich war, sich weiter zu unterhalten. Sie schloss ihre Augen, während sie durch die Stadt fuhren, und überlegte wieder, was Niall ihr hatte sagen wollen …
Sie seufzte müde, als sie bemerkte, dass sie genau an der Stelle war wie schon vor acht Stunden. Sie musste aufhören, ununterbrochen an Niall zu denken!
6. KAPITEL
Obwohl sie so müde war, konnte Sarah nicht einschlafen. Über eine Stunde lag sie im Bett und wälzte sich hin und her, bevor sie schließlich wieder aufstand. Es war sinnlos, sich ans Bett zu fesseln, während ihr Geist keine Ruhe gab. Vielleicht würde ein Spaziergang sie etwas beruhigen.
Es war kurz nach zehn Uhr, als sie das Haus verließ und einen Weg entlangging, der zum Fluss führte. Ein kleiner Park mit Spielplatz war am Ufer angelegt, und dort setzte sie sich auf eine Schaukel und schaukelte sanft vor und zurück. Sie fühlte, wie sich der Sturm ihrer Gedanken langsam legte. Dann schloss sie die Augen und schwang sich höher. Der Wind spielte mit ihrem blonden Haar, und sie lächelte, als sie die Freiheit spürte, die er mit sich brachte.
Vielleicht brauche ich einfach nur Urlaub, überlegte sie. Es war schon eine halbe Ewigkeit her, dass sie sich Zeit genommen hatte, verrückte kleine Dinge zu tun, wie zum Beispiel schaukeln. Wenn sie mal an einem Tag freihatte, dann hatte sie in der Regel genug mit dem Haushalt zu tun. Selbst wenn sie angestrengt nachdachte, fiel ihr nicht mehr ein, wann sie zum letzten Mal einen ganzen Tag lang nur gefaulenzt hatte. Es war ja kein Wunder, dass sie so überdreht war!
Sie schwang sich immer höher in die Lüfte, während sie darüber nachdachte, was sie alles tun würde, wenn sie Zeit hätte. Spazierengehen oder Schwimmen vielleicht, oder einen ganzen Vormittag nur herumhängen, Zeitung lesen und Kaffee trinken …
Sie schmunzelte bei dem Gedanken an dieses wirklich dekadente Vergnügen. Ihre Höhenflüge gen Himmel und der Rückfall auf die Erde, das Gleiten zwischen den Elementen versetzte Sarah in eine Art Rausch. Sie hielt sich an den Ketten fest und lachte laut vor Erleichterung, dass sie eine so einfache Erklärung für ihr komisches Verhalten in den letzten Tagen gefunden hatte. Sie hatte Urlaub nötig, nichts weiter!
“Du fliegst gleich der Sonne entgegen, wenn du nicht aufpasst. Dann verbrennst du dir die Flügel.”
Der scherzende Unterton dieser vertrauten Stimme brachte sie mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurück. Sie öffnete
Weitere Kostenlose Bücher