Bianca Arztroman Band 0031
Bartschatten entlang seines Kiefers verlieh ihm einen herben Ausdruck, der durch die ins Gesicht fallenden Haare noch verstärkt wurde.
Es ist Niall Gillespie, aber er wirkt anders, dachte Sarah etwas benommen. Unter seiner konventionellen Bekleidung, Maßanzug und Krawatte, verbarg sich eine raue Männlichkeit, die ihre Wirkung auf sie nicht verfehlte.
Erst als Sarah bemerkte, dass Niall sie genauso detailliert musterte, schaffte sie es, den Blick von ihm abzuwenden. Sie konnte das Zittern ihres Körpers nicht verhindern, als er auf ihre Anziehungskraft anspielte.
“Adair wird unsere Anstandsdame spielen, Sarah. Glaub mir, mit ihr an unserer Seite bist du sicher.”
“Ich habe keinen Augenblick befürchtet …”, begann sie, hielt aber inne, als er ihr den Zeigefinger auf die Lippen legte. Seine Augen wirkten so kühl wie der Fluss, der hinter ihnen floss, aber sein Lächeln war so zärtlich, dass sie sich von einem wohlig warmen Nebel umgeben fühlte.
“Das war ein Scherz, Sarah. Also kommst du? Bitte? Ich bin mir sicher, dass du Spaß haben wirst. Und ich kann mir nicht vorstellen, was ich jetzt lieber machen würde, als diesen wunderschönen Morgen mit dir und Adair zu verbringen.”
Wie könnte sie ablehnen? Sie wusste, dass sie seinem Bitten nicht widersprechen konnte.
“Gut, ich komme mit. Danke schön.” Sie brachte ein Lächeln hervor und versuchte, das knisternde Verlangen auf ihren Lippen zu ignorieren.
“Wenn es dir recht ist, nehmen wir den Weg, der am Fluss entlangführt. Dort gibt es nicht weit von hier eine gute Stelle, wo wir Adair fliegen lassen können”, schlug er vor.
“Das klingt gut”, antwortete sie gelassen.
Sie gingen den Weg zum Fluss voran und nahmen dann den Pfad, den Niall vorgeschlagen hatte. Nach ein paar hundert Yards wurde der Pfad schmaler, und die Bäume ließen nur ein sanftes Glitzern der Morgensonne durchscheinen. Außer dem gleichmäßigen Gurgeln des Wassers war es um sie herum sehr still, und Sarah hatte das Gefühl, dass sie sich mit Niall in einer ganz eigenen Welt, isoliert von allen anderen, befand.
Sarah ging weiter, aber sie spürte nur allzu deutlich Nialls Anwesenheit hinter ihrem Rücken. Der schwere Geruch des Mooses, das zwischen den Felsen wuchs, stieg ihr in die Nase, so scharf, wie sie es bis dahin noch nie wahrgenommen hatte. Auch die Feuchtigkeit der Luft schien ihre Haut diesmal aufdringlicher zu berühren. Das Laub auf dem Boden dämpfte ihre Schritte, und dennoch hörte sie jeden Tritt hinter sich, und der Boden unter ihr schien zu beben.
Ob Niall das auch so spürt?, überlegte sie. Waren seine Sinne auch so geschärft, dass er plötzlich klarer sehen, riechen und hören konnte, dass er die Welt, so wie sie, ganz anders wahrnehmen konnte?
“Wenn du hinter dem Gebüsch nach links gehst, dann findest du den Pfad, der auf den Hügel führt. Da wollen wir hin.”
In seiner Stimme verbarg sich kein Hinweis, der ihre Fragen beantwortete, aber ihre stark verschärften Sinne gaben ihr jetzt Gewissheit. Niall machte gerade die gleiche Erfahrung, auch er war empfänglicher für die Sinnlichkeit um sie herum. Sie erschauerte bei dem Gedanken.
“So, da sind wir.” Er berührte sie am Arm, um ihr die Lichtung zu zeigen. Es war nur eine ganz leichte Berührung, aber sie hatte das Gefühl, dass ein leuchtendes Feuerwerk in ihr ausbrach.
Sie atmete tief durch und ging voran. Der Pfad endete an einem Hang, und dort gaben die Bäume eine Fläche frei. Sie rannte auf die Wiese, und als sie sich zu ihm umdrehte, bemerkte sie in seinen Augen ein stilles Verlangen, als hätte ihr Feuerwerk in ihm eine Flamme entfacht!
“Ist es dort”, fragte sie mit belegter Stimme und erstarrte, als sie die Aussicht erblickte. Sie betrachtete den grünen Hügel, der sich am Horizont mit dem blauen Septemberhimmel traf, und ihr Herz startete seinen eigenen Höhenflug. Hatte er sie wirklich auf diese Weise angeschaut … voller Verlangen in den Augen?
“Ja. Der Wind ist dort oben stärker als hier in der Nähe der Bäume. Dort kann sie so hoch fliegen, wie sie möchte.”
Er klang ganz unpersönlich, als er ihr das mitteilte. Noch vor ein paar Minuten wäre sein Ton für Sarah Beweis genug gewesen, dass sie sich geirrt hatte. Aber mit ihrem verschärften Blick erkannte sie, dass diese gespielte Gleichgültigkeit nur ein Versteck für seine wahren Gefühle bot.
Er mochte sich so kühl und unnahbar wie sonst benehmen, aber unter dem Eis brannte das Feuer! Und in
Weitere Kostenlose Bücher