Bianca exklusiv 0177
Kleinstadtleben und vor allem ihrer Schwärmerei für ihn entwachsen sei? Fast ein Jahr lang waren sie miteinander gegangen. Aber schon Monate davor hatte die erste Liebe für Becky an Reiz verloren. Wie sollte auch ein Mädchen für einen jungen Mann schwärmen, der glaubte, ein Mikrowellen-Burger aus dem Autoshop seines Vaters sei mit einem Essen im Restaurant auf eine Stufe zu stellen?
Ein Junge, der zudem auch noch glaubte, alle Frauen sollten barfuß herumlaufen – außer wenn sie ihre Arbeitsschuhe anzogen, um in der örtlichen Fabrik zu arbeiten. Ein Junge, der fand, dass Frauen oft und gerne in anderen Umständen sein sollten. Ein Junge, der sie – Becky – niemals verstanden und schon ganz und gar nicht unterstützt hatte in ihrem Streben nach Weiterentwicklung. Ihre Pläne für einen Collegeabschluss, ihre Sehnsucht nach einer schöneren Zukunft waren ihm völlig unbegreiflich gewesen.
Ihr schauderte. Frankie McWurter wieder zu begegnen stand absolut nicht auf ihrer Wunschliste. Und sollte sie den Ratschlag ihres Bruders annehmen, der so typisch für einen Mann aus dem Mittleren Westen war, dann …
Sie berührte die zwei winzigen Babyschühchen-Anhänger aus Silber an ihrem Armband. Jeder stand für eins von Matts Kindern, ihre Nichte und ihr Neffe. Jetzt wo sie an ihren Bruder, seine Frau Dani und an die süßen tollpatschigen Knirpse dachte, kam ihr allerdings doch ein leiser Zweifel, ob sie den Rat ihres Bruders nicht vielleicht beherzigen sollte. Eigentlich wollte sie heiraten und Kinder haben. Sie rechnete sogar damit.
Immerhin wurden die Mädchen in Woodbridge vorwiegend für die Ehe erzogen – sogar aufgeklärte, gebildete Mädchen, die sich stolz zur emanzipierten Generation von Frauen zählten. Und Babys? Becky liebte Babys. Sie liebte die winzigen Zehen und dicken Bäuchlein, liebte es, wie sie rochen, wie sie quietschten und lachten. Allein bei dem Gedanken, eines Tages selbst ein Baby zu haben, wurde ihr ganz warm ums Herz, und sogar der trübste Tag erschien ihr dann wie von der Sonne erhellt.
Becky wollte unbedingt heiraten und Kinder haben – mit dem richtigen Mann, zur richtigen Zeit und unter den richtigen Umständen. Eine dreifache Bedrohung, würde ihre Schwägerin sie aufziehen und hinzufügen, dass es kaum eine Chance gab, alle drei Ziele zur gleichen Zeit zu erreichen.
„Finde zuerst den Richtigen“, würde Dani sagen. „Und alles andere spielt dann auf einmal kaum eine Rolle mehr.“
„Den Richtigen finden?“, murmelte Becky und fasste mit der Hand an den Kragen ihres dünnen Regenmantels. Im Augenblick wäre sie glücklich, zu einer heißen Tasse Kaffee eingeladen zu werden. Sie blieb vor der Fensterscheibe eines kleinen Cafés im Erdgeschoss eines eindrucksvollen Wolkenkratzers stehen.
Mit geschlossenen Augen atmete sie den Duft von frisch gebrühtem Kaffee ein. Und da Riechen das Einzige war, was sie sich leisten konnte, tat sie es ausgiebig. Wenn es nur das sein konnte, warum nicht dann das Allerbeste?, dachte sie.
Sie hatte am Morgen noch einmal ihr Haushaltsgeld überprüft, um herauszufinden, ob sie die Kontaktlinse ersetzen könnte, die sie am gestrigen Abend verloren hatte. Kritisch blickte sie auf ihr Spiegelbild in der riesigen Glasscheibe. Nicht einmal ihr bestes Kostüm, das sie nur dann trug, wenn sie zu einem Vorstellungsgespräch vorgeladen wurde, konnte das Drahtgestell ihrer Brille kaschieren. Und auch die immer noch feuchten goldbraunen Locken, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, machten sich nicht gut. Wenn nur ihre Zimmergenossin nicht letzte Woche ausgezogen wäre und den Haartrockner mitsamt der Hälfte der Miete hätte mitgehen lassen, dann könnte sie jetzt zumindest eine anständige Frisur haben.
Nein, das Geld, das ihr verblieben war, würde eine Tasse Kaffee nicht zulassen. Gleich nachdem sie vor zehn Tagen ihren Job verloren hatte, hatte sie den Kühlschrank gefüllt und die Miete bezahlt, hatte die Strom- und Wasserkosten abgezogen sowie all die anderen unumgänglichen Ausgaben, zu denen auch die Tageszeitung mit den Stellenanzeigen gehörte. Genussmittel wie Milchkaffee in einem Café ließ das Budget nicht mehr zu.
Durch die Scheibe sah sie sehnsüchtig auf die heiß dampfenden Tassen, die die Kellnerin vor die Gäste setzte. Nicht einmal die halb geleerten, die schnellstens weggeräumt wurden, fast noch bevor der Gast das Lokal verlassen hatte, schreckten Becky heute ab. Im Café erhoben sich zwei karrieremäßig
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