Bianca Exklusiv Band 0088
geschehen soll, später gelöst werden, dachte sie müde. Sie besann sich auf ihre guten Manieren und begann eine höfliches Gespräch mit Ryan Bay, dessen Namen sie schon von ihrer Mutter gehört hatte.
“Sie sind doch der Geschäftspartner meines Vater, Mr. Bay?”, fragte Tara.
Erstaunt hob er die Brauen. “Ja”, antwortete er zögernd. “Aber es wundert mich, dass Sie das wissen.”
“Warum?”, erkundigte sie sich argwöhnisch.
“Weil ich mich erst mit ihrem Vater zusammengetan habe, nachdem Sie Hongkong verlassen hatten. Ich meinerseits wusste bisher so gut wie nichts über Sie, außer dass Sie Sebastians Tochter sind und seit Jahren in London leben. Übrigens, sagen Sie doch bitte Ryan zu mir. Und ich werde Sie Tamara nennen, wenn ich darf?”
Sie nickte und wandte sich dann rasch ab, damit er nicht sehen konnte, wie betroffen sie war. Wenn er so wenig über sie wusste, hatte ihr Vater nicht oft von ihr gesprochen. Vielleicht hat Daddy mich schon lange vergessen, dachte sie betrübt. Möglicherweise hatte er Hongkong unter irgendeinem Vorwand verlassen, um das Treffen mit ihr hinauszuzögern. Er hatte ihr vor zwölf Jahren wohl nur deshalb versprochen, sie dürfe jederzeit zu ihm kommen, weil er sie hatte trösten wollen … Obwohl er genau gewusst hatte, dass ihre Wege sich für immer trennen würden …
Bei diesen selbstquälerischen Gedanken stiegen Tara Tränen in die Augen. Nichts war so, wie sie es sich ausgemalt hatte. Statt ihres Vaters saß nun ein fremder Mann neben ihr, der sie teils faszinierte, teils misstrauisch machte. Sie erinnerte sich an die boshafte Bemerkung ihrer Mutter, dass eventuell Ryan Bay ihren Vater aus der Firma zu drängen versuchte. Jedenfalls schien es Tara ratsam, ihre Gefühle und Vermutungen jetzt und zukünftig vor Ryan Bay zu verbergen. Daher widmete sie sich betont der Umgebung.
Nachdem sie den Cross Harbour Tunnel hinter sich gelassen hatten, stellte Tara fest, dass Hongkong sich in den letzten zwölf Jahren auffallend verändert hatte. Es gab unzählige neue Wolkenkratzer, und, wie es schien, mehr Menschen und viel mehr Autos als damals.
“Die Stadt ändert sich fortwährend”, erklärte Ryan plötzlich, als hätte er ihre Gedanken erraten. “Obwohl Hongkong in wenigen Jahren wieder zur Volksrepublik China gehören wird, wird ständig und überall gebaut.”
“Das sehe ich”, erwiderte Tara beeindruckt. “Beweist dies nicht ein großes Vertrauen in die Zukunft?”
“Nicht unbedingt. Es ist hier immer noch möglich, Kredit von den Banken zu bekommen, ein Geschäft aufzuziehen und bis zur endgültigen Eingliederung in die Volksrepublik seine Schäfchen ins Trockene zu bringen”, meinte er zynisch.
Tara missfiel der kalte Ton. “Sie gehören also zu den Leuten, die nicht glauben, dass Hongkong unter chinesischer Verwaltung florieren kann?”, erkundigte sie sich und blickte Ryan feindselig an.
“Wie kommen Sie denn darauf?”
“Sie klangen so sarkastisch”, erklärte sie.
“Das wollte ich nicht. Jedenfalls haben Sie offensichtlich aus meiner Bemerkung voreilig den falschen Schluss gezogen, dass ich zu den Leuten gehöre, die nur hier bleiben, solange es sich für sie lohnt.”
Tara erkannte, dass sie Ryan Bay nicht unterschätzen durfte. Es würde schwer werden, irgendetwas vor diesem scharfsichtigen Mann zu verbergen.
“Die Hall Bay Company bleibt also in Hongkong?”, fragte sie beiläufig. Da sie sich nicht traute, ihm länger in die Augen zu schauen, blickte sie auf seine Hände, die er auf die Knie gelegt hatte. Es waren wohlgeformte Hände, mit schmalen, langen Fingern.
“Hongkong und die Hall Bay Company gehören zusammen, in guten wie in schlechten Zeiten”, erklärte er scherzhaft und fuhr dann ernst fort: “Allerdings ist es meiner Meinung nach nur vernünftig, Filialen in anderen Ländern zu gründen, damit man nicht völlig leer ausgeht, falls es zum Schlimmsten kommt und alle europäischen Firmen von den chinesischen Kommunisten verstaatlicht werden.”
Er betrachtete sie aufmerksam und lächelte. “Interessieren Sie sich für die Firma Ihres Vaters, Tamara?”
Sie zuckte scheinbar gleichgültig die Schultern. Solange sie nicht wusste, was Ryan tatsächlich im Schilde führte, hielt sie es für besser, ihm nichts von ihren Plänen zu verraten.
“Wohin fahren wir? Zum Haus meines Vaters?”, fragte sie, um ihn von dem heiklen Thema abzulenken.
“Ich fürchte, nein. Unglücklicherweise ist Ihre Stiefmutter ebenfalls
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