Bianca Exklusiv Band 0088
verreist, um Verwandte zu besuchen. Deshalb dachte ich, Sie möchten vielleicht fürs Erste in ein firmeneigenes Apartment ziehen? Die Wohnung ist ziemlich klein, aber gut ausgestattet. Übrigens wohne ich im selben Haus. Oder würden Sie lieber bis zur Rückkehr Ihres Vaters in ein Hotel gehen?”
Tara senkte den Blick. Zorn stieg in ihr hoch. Was bildete sich dieser Fremde ein, ihr ungefragt Ratschläge zu erteilen? Sie hatte sich so darauf gefreut, das Haus ihres Vaters endlich wiederzusehen, in dem sie als Kind glücklich gewesen war … Nun hatte Ryan ihr alles verdorben.
“Mir scheint keine Wahl zu bleiben, da Sie schon alles arrangiert haben”, antwortete sie kühl.
“Hören Sie, Tamara.” Er umfasste ihr Kinn und drehte ihren Kopf herum, sodass sie gezwungen war, ihn anzusehen. “Warum kommen Sie eigentlich hierher? Jahrelang haben Sie sich nicht um Ihren Vater gekümmert, und dann schicken Sie völlig unerwartet eine Nachricht, dass Sie kommen …” Unvermittelt verstummte Ryan und ließ die Hand sinken.
Weshalb interessierte sich Ryan so sehr für ihre Pläne? Damit er seine eigenen darauf abstimmen konnte? Hatte etwa er das überaus großzügige Angebot für ihren Aktienanteil gemacht, weil er das entscheidende Kontrollrecht über die Firma zu erlangen versuchte? Bevor ich darüber keine Gewissheit habe, darf ich mir keinesfalls in die Karten sehen lassen, schwor sich Tara.
“Ich schulde Ihnen keine Erklärungen”, antwortete sie daher hochmütig.
“Sie haben vollkommen recht”, stimmte er höflich zu, doch seine Augen blickten kalt. “Entschuldigen Sie meine Neugier, aber wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben, dass ich allen Grund dazu habe.”
Tara zog die Schultern hoch. “Ich gebe überhaupt nichts zu. Ihnen gegenüber schon gar nicht. Denn Sie sind ein Fremder für mich. Meine Gründe hierherzukommen, haben mit Ihnen nichts zu tun.”
Sie hoffte inständig, dass das stimmte. Falls Ryan Bay der anonyme Bieter für ihren Anteil sein sollte und sie die Aktien unwissentlich an ihn verkaufte, würde Sebastian Hallidays Lebenswerk zerstört. Sie durfte nichts unternehmen, bevor sie mit ihrem Vater gesprochen hatte. Und bis dahin musste sie so tun, als sei sie nur gekommen, um ihn wieder zu sehen.
“Sind Sie ganz sicher, dass Ihre Reise nach Hongkong nichts mit mir zu tun hat?”, erwiderte Ryan herausfordernd. “Vergessen Sie nicht, dass mir die Hall Bay Company zur Hälfte gehört.”
“Ja, und?”, erwiderte sie scheinbar ungerührt, obwohl sie sich erschrocken versteifte, als er die unangenehm scharfsinnige Frage stellte. Was wusste er wirklich, abgesehen davon, dass sie, Tara, seit Kurzem Miteigentümerin von Hall Bay war? Sie musste versuchen, Zeit zu gewinnen, indem sie weiterhin vorgab, an den Geschäften ihres Vaters nicht interessiert zu sein.
Nachdenklich schwieg Ryan.
Tara hatte das Gefühl, dass er ihr mit unausgesprochenem Argwohn begegnete, und sie fing an, seine Nähe lästig zu finden.
Ohne auf Ryan zu achten, blickte Tara gespannt zum Wagenfenster hinaus. Mittlerweile steuerte Mr. Chu das Auto zu dem alten Villenviertel hinauf, das eingebettet in üppiges Grün auf dem Victoria Peak lag, der die Stadt überragte. Höher und immer höher fuhren sie, fort von den Menschenmassen, die im übervölkerten Stadtzentrum lebten. Die riesigen Wolkenkratzer lagen unten im Dunst der Millionenstadt.
Hier oben auf dem “Peak”, wie die Einheimischen ihn kurz nannten, war es angenehm friedlich. Ein Gegensatz zu der Hektik, dem brodelnden Verkehr und dem fast unerträglichen Lärm der City! Statt Autoabgasen wehte der Duft von frischem Laub und exotischen Blüten zum Fenster herein. Große, gepflegte Gärten umgaben die prächtigen Häuser, die ein buntes Gemisch von alten chinesischen Gebäuden, englischen Villen im Kolonialstil und hochmodernen Bungalows bildeten.
Tara stellte befriedigt fest, dass sich kaum etwas verändert hatte. Jahrelang hatte sie davon geträumt, zurückzukommen, denn nur hier hatte sie sich wirklich zu Hause gefühlt. Doch nun verdarb ihr Ryans Anwesenheit die lang ersehnte Heimkehr.
Plötzlich fühlte sich Tara unendlich erschöpft. Nichts war so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Verzweifelt fragte sie sich, ob es nicht der größte Fehler ihres Lebens gewesen war, nach Hongkong zu kommen.
Vor einem modernen Apartmentgebäude blieb das Auto stehen. Tara hätte am liebsten geweint. Ganz in der Nähe lag das Haus ihres Vaters, und doch musste
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