Bianca Exklusiv Band 0088
ging Carlo an seinem Wagen vorbei zu dem Wagen, der hinter seinem eigenen stand, und stieg ein.
Banyon saß auf dem Fahrersitz. “Haben Sie bekommen, was Sie wollten?”, fragte er.
“Das und mehr.” Carlo griff in den Umschlag und holte Dawns Personalausweis heraus. Als er ihn aufschlug, sah man, dass es auch Louisas Ausweis war.
“Werden Sie den benutzen können?”
“Nein, aber ich kann meiner Tochter damit einen eigenen Pass vom italienischen Konsulat besorgen, wenn ich das hier in der Hand habe. Und dann gibt es noch das hier.” Er zeigte Banyon das Foto. “Sie sieht mit ihrem kurzen Haar ganz anders aus.”
“Allerdings”, stimmte Banyon zu. Er verglich das Bild mit dem, was er aus seiner Tasche gezogen hatte. “Ich hätte sie sicherlich nicht erkannt, wenn ich nach dem alten Foto gegangen wäre, das Sie mir gegeben haben.” Er lächelte. “Und Miss Fletcher hat Ihnen das alles gegeben, nur weil Sie danach gefragt haben?”
“Ja.”
“Sie ist nicht besonders klug, nicht wahr?”
“Sie ist klug genug”, sagte Carlo gedehnt. “Es liegt einfach daran, dass sie … nicht misstrauisch war.”
“Umso dümmer. Sie hätte damit rechnen müssen, dass Sie sie überrumpeln wollen.”
“Ja”, erwiderte Carlo kalt, “aber das hat sie nicht.”
Er stieg aus, schlug die Tür hinter sich zu und ging zu seinem Wagen. Er versuchte sich einzureden, dass er äußerst klug gehandelt hatte, doch sein Gefühl sträubte sich gegen diese Einsicht. Er hatte das Mitleid in Serenas Blick gesehen, und er wusste, dass dieses Mitleid ihm geholfen hatte, ihr Misstrauen zu überwinden und sie zu überlisten. Den ganzen Weg zurück ins Hotel sagte er sich, dass er das Richtige tat, dass zwischen ihr und ihm ein Krieg herrschte, in dem kein Pardon gegeben wurde. Aber er fühlte sich dennoch wie ein Schuft.
In den folgenden Tagen blieb Carlo nichts weiter übrig, als zu warten. Dabei verfolgten ihn die Gedanken an Liz und Frank. Diese beiden Menschen hatten sich so sehr geliebt, dass der eine nicht ohne den anderen leben konnte.
Eines Tages gab er einem unwiderstehlichen Impuls nach, setzte sich in seinen Wagen und fuhr die hundert Meilen nach Delmer. Er kaufte dort einen Blumenstrauß und begab sich zum Friedhof.
Er musste nicht lange suchen, bis er Liz’ und Franks Grab gefunden hatte. In der schmalen Vase, die darauf stand, waren bereits Blumen. Sie schienen gerade erst hineingestellt worden zu sein, und Carlo sah sich hoffnungsvoll um. Schließlich sah er Serena, sie stand ein paar Meter weiter weg und beobachtete ihn.
“Das verstehe ich nicht”, bemerkte sie, während sie auf ihn zukam.
“Versuche einfach, mir zu glauben, dass ich kein Unmensch bin. Dann ist alles ganz einfach”, erklärte er. Er fühlte sich unbehaglich, aber als er Serena anschaute, konnte er in ihrem Blick keine Spur von Feindseligkeit entdecken. Das beruhigte ihn ein wenig. “Ich wusste nicht, dass du hier bist.”
“Ich komme alle paar Wochen, um nach dem Haus zu sehen. Ich wollte gerade hinfahren. Wenn du etwas Kaffee möchtest …”
“Danke.”
Er folgte ihrem Wagen und registrierte flüchtig, dass sie ein sehr teures Modell gekauft hatte, das nur wenige fuhren. Nachdem sie ausgestiegen waren, liefen sie beide durch den strömenden Regen zum Haus.
“Es wird wohl das letzte Mal sein, dass ich hierher komme”, bemerkte sie, während sie Carlo die Tür öffnete. “Ich werde das Haus verkaufen.”
“Aber das kannst du nicht!”, entgegnete er spontan.
“Ich kann nicht hier leben. Mein Zuhause ist in London. Und außerdem …”, sie seufzte, “… werde ich auch zu traurig, wenn ich hierher zurückkomme. Ich war hier als Kind sehr glücklich, und ich kann die Leere nicht ertragen.”
“Du kannst auch glücklich darüber sein, dass du geliebt wurdest. Deine Großeltern waren so von ihrer Liebe zueinander erfüllt, dass es auf dich übergeströmt ist.”
Er spürte, dass er sie verwirrt hatte. “Genau so war es. Hat Dawn dir das erzählt?”
“Nein, sie hat mir nichts von ihrem früheren Leben erzählt. Aber ich habe eure Großeltern kennengelernt. Ich weiß, dass es so gewesen sein muss.”
Serena schaute ihn an, als versuchte sie, sein Mitgefühl mit ihrem bisherigen Bild von ihm in Einklang zu bringen. Doch dann wandte sie sich ohne ein Wort ab. Sie ging durch das Haus und zog überall die Vorhänge zurück, um Licht hereinzulassen. Er beobachtete fasziniert, wie sie ging. Es war eine fließende Bewegung,
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