Bianca Exklusiv Band 0088
Flucht hatte Carlo einen Mangel an Liebe in seiner Kindheit beschert.
Er hatte versucht, es dadurch auszugleichen, dass er die Erwartungen seines Vaters auf der Rennstrecke erfüllte. Er war ein mutiger und fähiger Fahrer gewesen, aber es hatte nie gereicht, um Emilio zufriedenzustellen. Carlo konnte sich an kein einziges Wort des Lobes erinnern oder einen liebevollen oder stolzen Blick des Vaters. Und seine Einsamkeit hatte ihn zum perfekten Opfer für Dawn gemacht. Er hatte sie geheiratet, weil er gehofft hatte, mit ihr den leeren Platz in seinem Herzen füllen zu können. Sie hatte ihm deutlich gezeigt, dass das ein Irrtum gewesen war.
Aber mit Louisas Geburt war das Wunder endlich geschehen. Als er das Baby das erste Mal im Arm hielt, hatte er gewusst, dass hier jemand war, der seine Liebe mit der gleichen Bedingungslosigkeit erwiderte.
Sie war die einzige Quelle der Liebe für ihn gewesen und hatte ihn nie hintergangen. Jeder andere, sein Vater, seine Mutter, seine Frau, hatte ihn gelehrt, Gefühlen zu misstrauen, wegen des Schmerzes, die sie mit sich bringen konnten.
Aber in der letzten Nacht war er von Gefühlen überwältigt worden, die er nicht ersticken konnte. Er hatte mit seiner vermeintlichen Feindin geschlafen, und sie hatten sich gegenseitig die größte Liebe geschenkt. Und nun war er vollkommen verwirrt. Sein Herz sehnte sich nach Serena, aber sein Verstand sagte ihm, dass sie immer noch Gegner waren. Was auch immer zwischen ihnen gewachsen war, es würde so lange keine Früchte tragen, wie Serena ihm seine Tochter vorenthielt. Nicht nur, weil er Louisa wollte, sondern auch, weil er fühlen wollte, dass Serena auf seiner Seite stand. Erst dann würde er in der Lage sein, sie wirklich zu lieben.
Er beugte sich herab und fuhr mit den Lippen zärtlich über ihre Nase. Doch im gleichen Moment wurde er von einem entfernten Klingeln unterbrochen. Er bemerkte, dass es sein eigenes Telefon war, das er letzte Nacht auf dem Tisch in der Eingangshalle abgestellt hatte. Er ging rasch hinunter und hob den Hörer ab. “Ja?”
“Ich habe sie gefunden”, informierte Banyon ihn.
Sein Herz machte einen Satz. “Sind Sie sicher?”
“Völlig sicher. Sie ist in den Midlands in einem Dorf namens Claverdon.”
“Irrtum ausgeschlossen?”
“Ja. Sie sieht genauso aus wie auf dem zweiten Foto, das Sie mir gegeben haben.”
“Gut.” Carlo senkte die Stimme. “Unternehmen Sie nichts, bevor Sie nicht wieder von mir hören.” Damit legte er auf. Die widersprüchlichsten Gefühle kämpften in ihm. In seine Erleichterung und Freude mischte sich auch Missbilligung darüber, dass er seine Tochter gefunden hatte, bevor Serena ihm von sich aus ihren Aufenthaltsort verraten hatte. Er wollte Louisa zwar mit allen Mitteln zurück, aber er wollte sich nicht rücksichtslos gegenüber Serena verhalten. Das hätte alles zerstört.
Als Carlo in das Schlafzimmer zurückkehrte, schlief Serena immer noch. Er setzte sich auf den Bettrand und begann, sie zu küssen. Sie wachte sofort auf und lächelte ihn an. “Schlafmütze”, sagte er leise.
“Ich habe es nicht nur geträumt, nicht wahr?”, sagte sie.
“Nein, du hast es nicht geträumt”, versicherte er ihr. “Wenn du es geträumt hättest, hätte ich es auch träumen müssen, und das könnte ich nicht ertragen.” Er nahm sie in die Arme und bedeckte erst ihre Lippen, dann den Nacken mit kleinen Küssen. Damit erinnerte er sie ohne Worte an die Gefühle, die sie vereinten, und hoffte, dass er für das, was er ihr sagen musste, die passenden Worte finden würde.
“Serena”, begann er.
“Hm?”
“Hast du nicht auch das Gefühl, dass gestern Nacht etwas Wundervolles zwischen uns geschehen ist?”
Sie lächelte ihn liebevoll an. “Du weißt, dass ich das fühle.”
“Ich meine nicht nur unsere Leidenschaft”, fuhr er fort. “Ich meine die seelische Nähe, ohne die jede Leidenschaft oberflächlich ist. Sag mir, wo dein Herz gestern Nacht war.”
Sie lachte ein leises, heiseres Lachen, das von Neuem sein Verlangen nach ihr weckte. “Sag mir, wo du glaubst, dass es war”, antwortete sie neckend.
“Ich habe gehofft, dass es bei mir war. Aber jetzt …” Er zögerte und fühlte, dass er sich auf ein gefährliches Terrain vorwagte.
“Aber jetzt?”, fragte sie vorsichtig.
“Wie kann ich mich mit dir verbunden fühlen, wenn du dich immer noch feindselig mir gegenüber verhältst? Nun, da wir einander gefunden haben, wirst du sicher einsehen, dass jetzt
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