Bianca Exklusiv Band 0088
Wahnsinn.
Er würde aufwachen, kalt und zitternd, und sich dazu zwingen müssen, sich daran zu erinnern, wer sie war. Es würde niemals Frieden zwischen ihnen geben. Und die schwache Ähnlichkeit mit ihrer Cousine, die gekommen und gegangen war, würde in seinem Gedächtnis bleiben und seinen Entschluss festigen, niemals wieder einem Mitglied ihrer Familie zu vertrauen.
Aber im Moment gab es keine Ähnlichkeit zwischen den beiden. Serena sah niedergeschlagen und unglücklich aus, und plötzlich wurde Carlo von dem Bedürfnis überwältigt, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten. Der Impuls war so stark, dass Carlo sich an der Kante seines Schreibtischs festklammern und um seine Beherrschung kämpfen musste. Er flehte darum, nicht die Kontrolle über sich zu verlieren. Diese Frau war gefährlich für ihn, und er würde solange nicht sicher sein, bis er sie nicht wieder weggeschickt hatte.
“Du kannst Louisa heute Abend sehen”, sagte er plötzlich. “Und morgen früh reist du ab.” Mit diesen Worten ging er aus dem Zimmer.
Serena hatte noch eine Hoffnung gehabt. Dass Louisa sie anflehen würde, länger zu bleiben. Doch als sie sich beim Abendessen trafen, bemerkte Serena eine Veränderung, die mit dem Kind vorgegangen war. Sie lächelte, doch sie war nicht mehr so lebhaft wie noch am Nachmittag. Als Serena sie begrüßte, antwortete Louisa auf Italienisch, was Serena überraschte. Sie wusste, dass Louisas Englisch hervorragend war.
Sie aßen auf der Terrasse zu Abend. Das Dinner war köstlich und perfekt zubereitet, und auch die Umgebung war wundervoll. Die Dämmerung wurde durch Kerzenlicht erhellt, und unter anderen Umständen hätte Serena diesen Abend genossen. Aber so hatte sie noch nie ein ungemütlicheres Abendessen erlebt. Ihre Versuche, sich mit Louisa zu unterhalten, waren frustrierend. Das Kind schien ihr Englisch fast völlig vergessen zu haben und suchte mühsam selbst nach den einfachsten Worten. Serena zweifelte nicht eine Sekunde an dem Grund. Was auch immer Carlo vorgab, die Wahrheit war, dass Louisa in seiner Gegenwart litt, und Serena spürte Wut in sich aufsteigen.
“Ich denke, du solltest jetzt ins Bett gehen, Darling”, sagte Carlo schließlich.
Louisa schaute ihn an und, fragte ihn etwas auf Italienisch. Serena konnte es nicht verstehen, aber sie hörte ihren Namen. Ein Schatten flog über Carlos Gesicht, und er schüttelte den Kopf. “Nein”, sagte er fast ärgerlich. Louisa glitt von ihrem Stuhl und ging um den Tisch zu Serena, die nach einem Weg suchte, Carlo zu überlisten.
“Soll ich mit hinaufkommen?”, fragte sie und strich Louisa das Haar aus der Stirn. “Dann können wir …” Sie unterbrach sich und stieß heftig die Luft aus.
“Was ist los?”, wollte Carlo wissen.
“Ich glaube, du solltest einen Arzt holen”, stellte Serena fest und legte die Hand auf die heiße Stirn des Kindes.
Carlo berührte sie ebenfalls und stieß eine lautlose Verwünschung aus. Einen Moment später stand er am Telefon und gab rasch einige Anweisungen. Nachdem er fertig war, hob er Louisa auf die Arme und trug sie in ihr Zimmer. Serena folgte ihm die Treppe hinauf, während ihr Herz vor Sorge heftig schlug.
Das Licht auf dem Balkon war dämmrig gewesen, doch in der helleren Beleuchtung in Louisas Zimmer sahen sie, wie rot das Gesicht des Mädchens war.
“Wie lange wird der Arzt brauchen?”, fragte Serena.
“Nicht sehr lange. Die Ärztin lebt nicht weit entfernt”, sagte Carlo angespannt.
Dr. Maria Vini kam einige Minuten später an. Sie war eine elegante, große Frau in den Fünfzigern, und sie strahlte Ruhe und Sicherheit aus. Sie maß Louisas Temperatur und horchte ihre Brust ab, wobei sie ein wenig dadurch behindert wurde, dass Louisa Serenas Hand nicht loslassen wollte.
“Sie ist die Cousine meiner Exfrau. Sie stattet uns einen kurzen Besuch ab”, erklärte Carlo.
Bei dem Wort kurz fühlte Serena, dass Louisa ihre Hand unwillkürlich fester drückte. Die Miene der Ärztin blieb unbewegt, aber Serena hatte den Eindruck, dass sie es auch gesehen hatte.
“Ich würde gern mit Ihnen beiden allein reden”, sagte sie ruhig.
Nachdem sie alle drei in Carlos Arbeitszimmer gegangen waren, stieß er rau hervor: “Was, um Himmels willen, hat sie?”
“Ich glaube nicht, dass sie irgendeine körperliche Krankheit hat”, sagte Dr. Vini. “Sie ist ein angespanntes, unglückliches Kind, das seine Mutter verloren hat. Manche Kinder reagieren so auf Stress. Und sie hat sehr
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