BIANCA EXKLUSIV Band 0171
verschwinden sollen, als sie ins Freie getreten war. Stattdessen war er stehen geblieben, wie verzaubert von ihrem Anblick.
O ja. Sie war ein Problem. „Dangereuse“, flüsterte er.
„Dangereuse“, wiederholte Charlotte mit einem Blick auf den dunklen Turm.
3. KAPITEL
Wie Monty erwartet hatte, machte das Tageslicht das Schloss nicht einladender. Sie saß mit angezogenen Knien in der Mitte des riesigen Betts und fragte sich, warum um alles in der Welt ihr Vorfahre dieses mittelalterliche Ungetüm gekauft hatte.
Tante Josephine hatte es mit einer Familienlegende aus ihrem offenbar unerschöpflichen Vorrat erklärt. Für Monty waren es reine Märchen. Doch jetzt fand sie es gar nicht mehr so unwahrscheinlich, dass Josiah Charles von einer Frau betrogen worden war und dieses Gemäuer erworben hatte, um sich an ihr zu rächen.
Eine wirklich gelungene Rache, dachte Monty. Der aristokratische Vorbesitzer war bestimmt heilfroh gewesen, den alten Kasten einem reichen Amerikaner andrehen zu können. Wahrscheinlich schwebte er noch immer durch die Gänge und amüsierte sich mit den anderen Geistern darüber, wie er den schwerreichen Industriellen aus Übersee hereingelegt hatte.
Monty schlug die schwere Decke zurück, kroch an den Rand der klumpigen Matratze und kletterte vorsichtig vom Bett. Barfuß stand sie auf dem abgewetzten Teppich und sah zu den Deckenmalereien hinauf. Die Farben waren verblasst, und die Bilder unter dem Staub, der sich im Lauf der Jahre angesammelt hatte, kaum noch zu erkennen.
Auf einem der Wandteppiche war die Heilige Johanna von Orléans inmitten einer um sie herum tobenden Schlacht abgebildet. Monty betrachtete sie, fand jedoch keine Spur von dem Rubin, den die französische Nationalheldin Tante Josephine zufolge immer getragen hatte.
„Weißt du, Johanna“, sagte sie. „Wenn ich eine misstrauische Frau wäre, würde ich glauben, dass Tante Josephine mich absichtlich in diesem Zimmer untergebracht hat.“
Johanna blieb stumm.
„Na ja, ich erwarte keine Antwort von dir, aber eins muss ich dir sagen. Wenn ich Tante Josephine abgenommen hätte, dass der Carlisle-Rubin tatsächlich einmal dein Glücksbringer war, hätte ich niemals mit Stanton Grainger darum gewettet.“
Monty gähnte. „Also gut, ich gebe zu, ich hätte trotzdem gewettet. Aber nimm es nicht persönlich.“
Sie reckte sich, legte die Hände an den Bettpfosten und machte ein paar Auflockerungsübungen, bevor sie die Vorhänge aufzog und die Balkontür öffnete, um frische Luft in das staubige Zimmer zu lassen. Staubflocken wehten über den Boden, und der Sonnenschein hatte Mühe, durch die verschmutzten, seit Jahren nicht mehr geputzten Fensterscheiben ins Zimmer zu dringen. Die Luft war herrlich, und Monty trat auf den kleinen Balkon. Sie streckte die Arme in die Höhe. Es roch noch nach dem nächtlichen Regen, und sie atmete tief durch. Eine Brise trug Sebastians Pfeifen nach oben. Die Melodie kam ihr irgendwie bekannt vor.
Überrascht stellte sie fest, wie sehr sie sich darauf freute, ihn wiederzusehen. Hastig ging sie an die steinerne Brüstung und beugte sich hinüber, um im dichten Grün des wild wuchernden Gartens nach ihm zu suchen.
„Miss Carlisle?“, hörte sie Eve flüstern, noch bevor das kurze Klopfen an der Verbindungstür verklungen war. „Miss Carlisle?“
Monty brachte ihre Sekretärin mit einer warnenden Handbewegung zum Schweigen und beugte sich noch weiter vor.
„Seien Sie vorsichtig“, sagte Eve besorgt. Sie stand in der Balkontür und starrte mit sorgenvoller Miene auf Monty. „Um Himmels willen, passen Sie auf, dass Sie nicht hinunterfallen, Miss Carlisle.“
„Nennen Sie mich nicht so“, befahl Monty über die Schulter. „Ich passe schon auf. Diese Brüstung ist breit genug, um darauf zu balancieren.“
„Sie sieht äußerst gefährlich aus.“
Monty fragte sich, ob Eve als Kind einmal aus dem Fenster gefallen war. Das würde erklären, warum sie solche Angst vor Balkonen hatte. „Ist sie aber nicht. Ich beobachte gerade unseren fantastisch aussehenden Gärtner.“
Eve stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf, um in den Garten schauen zu können. „Ist er dort unten?“
„Er war es.“ Das Pfeifen war verklungen, und sie hatte keinen einzigen Blick auf Sebastian erhascht. Enttäuscht drehte Monty sich um und stützte sich auf die Brüstung. „Haben Sie gut geschlafen?“
Eves Schultern sackten nach unten. „Ich habe kein Auge zugemacht. Sie
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