BIANCA EXKLUSIV Band 0173
„Ich glaube, sie würde ihr Leben für dich lassen. Als ich dich das erste Mal anrufen wollte, hat sie mir nicht die geringste Chance gegeben, zu dir durchgestellt zu werden. Ich sollte ein anderes Mal anrufen, hat sie mir empfohlen.“
Sin-Jin lächelte verstohlen. „Manchmal übertreibt sie es mit ihrer Fürsorge. Wir kennen uns eben schon sehr lange.“
Sheila neigte den Kopf zur Seite. „Wie lange?“
„Sehr lange“, erwiderte er und überlegte amüsiert, ob die endlose Fragerei wohl als Familienübel zu betrachten sei.
Sherry grinste. „Mom, ich glaube, er wird langsam resistent gegen deinen Charme.“
„Der Abend ist noch jung“, erwiderte Sheila und zwinkerte Sin-Jin zu. Aus dem Babyfon drang ein leises Weinen. Sheila wechselte einen Blick mit ihrem Mann. „Ich bin in der Küche, Connor. Kommst du mit John zurecht?“
Erschrocken riss Sin-Jin die Augen auf, als er den Namen des Kindes hörte.
„Kleinigkeit“, meinte Connor zuversichtlich und warf Sin-Jin einen stolzen Blick zu. „Ich bin ein moderner Mann, müssen Sie wissen. Windeln wechseln, füttern, alles kein Problem.“
Als Sherry endlich mit Sin-Jin allein war, schaute sie ihn aufmerksam an. Er schien immer noch schockiert. „Warum bist du so überrascht?“
„Ich … äh …“ Mit einer Kopfbewegung deutete Sin-Jin auf die Treppe.
Sie begriff. „Ja, ich habe ihn nach dir genannt“, gestand sie ein.
„Dann heißt er St. John?“
„Nein. Nur John. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihn St. John zu nennen.“ Sherry schaute Sin-Jin nachdenklich an und versuchte sich vorzustellen, wie er vor Jahren gewesen sein mochte. Bestimmt genauso verschlossen, dachte sie. Vielleicht hat er sogar scharf gebügelte Hosen und Blazer getragen, wenn er zum Spielen gegangen ist. „Als Junge bist du bestimmt oft verspottet worden“, meinte sie schließlich.
Sein Blick war verständnislos. Seine Kindheit war von Einsamkeit geprägt gewesen, nicht von Spott. „Wie kommst du darauf?“
„Du kannst nicht gerade behaupten, dass St. John ein Allerweltsname ist. Und Kinder haben einen Riecher für Leute, die von der Norm abweichen.“
Achtlos zuckte er mit den Schultern und fragte sich, warum er nicht gegangen war, bevor sie ihn ins Kreuzverhör genommen hatte. „Ich habe überlebt.“
„Wie man sieht.“ Er macht den Eindruck, als wollte er am liebsten fluchtartig den Raum verlassen, dachte sie. Wahrscheinlich bereut er längst, dass er zum Essen geblieben ist. Sie musste das Thema beenden, bevor er es sich anders überlegte und unter irgendeinem Vorwand verschwand. „Ist ja auch egal. Aber wenn du schon mal hier bist, würde ich dich gern um etwas bitten.“
Es geht los, dachte er insgeheim. Jetzt will sie den Sack zumachen. Hätte ich mir eigentlich denken können, dass es keine unschuldige Einladung ist. Und diese angebliche Vertraulichkeit. Sie hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, mich endlich abschießen zu können. „Komm bloß nicht auf falsche Gedanken. Ich werde dir kein Interview geben!“
Seine Abfuhr ließ sie zurückschrecken. „Ich habe dich nicht um ein Interview bitten wollen.“ Sie zögerte. „Willst du die Patenschaft für meinen Sohn übernehmen?“
„Was?“
„Die Patenschaft“, wiederholte sie betont. „Jemand, der bei der Taufe des Kindes dabei ist. Normalerweise sollte es jemand sein, der den gleichen Glauben hat wie das Kind. Aber für Pater Conway ist es schon okay. Er wird ein Auge zudrücken, wenn Dad ihn darum bittet. Für mich zählt nur der Charakter des Taufpaten.“
„Du kennst mich doch gar nicht.“ Plötzlich schossen ihm all die verlogenen Zeitungsartikel durch den Kopf, die er über sich selbst gelesen hatte. „Und das, was du über mich weißt, ist nicht unbedingt schmeichelhaft.“
„Immerhin weiß ich, dass du einer schwangeren Frau in Not nicht den Rücken zukehrst. Das reicht mir. Bist du einverstanden?“ Aber Sin-Jin antwortete nicht sofort. Krampfhaft versuchte sie, sein Schweigen zu deuten. „Ich habe vor, ewig am Leben zu bleiben. Du musst dir also keine Gedanken darüber machen, dass du dich irgendwann um Johnny kümmern musst. Und falls mir doch etwas zustoßen sollte, werden meine Eltern für ihn sorgen. Dir wird nur die Ehre zuteil.“
Die Sache musste irgendeinen Haken haben. „Warum ausgerechnet mir?“
Sein misstrauischer Blick gefiel ihr gar nicht. „Wenn du nicht gewesen wärst“, erwiderte sie mit sanfter Stimme, „dann wäre mein Sohn nicht
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