BIANCA EXKLUSIV Band 0193
wollte keinen jüngeren Schwager um sich haben, so viel war klar.
Als er zu seiner Schwester schaute, schenkte sie ihm dieses Lächeln, dass er so gut kannte. Früher hatte dieses Lächeln genügt, um seine Welt wieder in Ordnung zu bringen. Doch der Zauber hatte seine Wirkung verloren. Er fühlte sich immer noch elend.
Die Tür öffnete sich hinter ihnen. „Der Richter wünscht Sie jetzt zu sehen“, informierte sie eine junge Frau.
Sein Herz begann vor Furcht schnellerzu schlagen. Was wäre, wenn der Richter ihn nicht freiließe?
O Mann …
Isa hatte den misstrauischen Blick, mit dem Ricky Harrison gemustert hatte, wohl bemerkt. Sie hoffte, dass ihr Bruder nicht zu viele Schwierigkeiten machen würde. Teenager konnten so dickköpfig sein. Mit erhobenem Kopf betrat sie den Raum.
Ihr Ehemann hielt die Tür für sie auf, schloss sie dann und stellte sich so nah neben Isa, dass sein Arm ihren berührte.
Der Richter, der hinter einem riesigen Schreibtisch saß, auf dem aufgeschlagene Gesetzbücher lagen, hob einen roten Ordner auf. Er blätterte ihn kurz durch und schaute dann auf.
„Ich glaube, ich bin fertig. Lassen Sie uns ins Konferenzzimmer gehen.“
Sie folgten ihm ins anliegende Zimmer, und Isa hatte das Gefühl, zu einer Hinrichtung zu gehen. Zu ihrer eigenen.
Der Richter setzte sich an das Ende des langen Tisches und wies sie an, ebenfalls Platz zu nehmen.
Mrs. Addleson, die Sozialarbeiterin, öffnete ihre Akte und las dem Richter Rickys Lebenslauf vor. Die Mutter starb, als der Junge fünf Jahre alt war, der Vater, als Rick neun war. Bis er vor drei Monaten ins Erziehungsheim kam, lebte er bei seiner unverheirateten Schwester. Vor neun Monaten wurde er Mitglied einer Gang. Er wurde geschnappt, als er Schmiere bei einem Warenhauseinbruch stand. Einer der jungen Männer hatte eine Waffe bei sich, was zur Anklage auf bewaffneten Raubüberfall führte.
Die Fakten hörten sich selbst für Isa nicht gut an, die die Hintergründe kannte. Zum ersten Mal beschlich sie die Furcht, dass ihr Bruder nicht freigelassen würde. Und sie spürte instinktiv, dass damit ein endgültiges Urteil über ihn gefällt worden wäre. Sein Leben wäre damit zerbrochen. Wer wusste, ob sie ihn dann überhaupt noch wiedersehen würde?
Der Richter sah Ricky prüfend an. „Was hast du selbst zu dem Vorgebrachten zu sagen?“, fragte er.
Rick zuckte nur die Schultern.
Isa reagierte sofort. „Er wusste nicht, dass die anderen das Warenhaus überfallen wollten. Moe sagte ihm, dass sie nur Graffiti sprühen wollten und …“
„Lassen Sie ihn für sich selbst sprechen“, unterbrach der Richter sie. „Warst du damit einverstanden, der Aufpasser für den Raubüberfall zu sein?“
Rick rutschte noch ein wenig tiefer auf seinem Stuhl. Er murmelte etwas, dass sich wie „nicht genau“ anhörte.
„Sprich lauter“, fuhr ihn der Richter an. „Und setz dich auf.“
Ricky richtete sich nur widerwillig auf. „Ich dachte, wir würden nur ein wenig sprayen. Na, Sie wissen schon, das Territorium markieren. Mir war nichts von einem Raubüberfall bekannt.“
Isa sah ihren Bruder verzweifelt an und presste die Hände zusammen. Warum benahm er sich nur so ablehnend?
Sie waren so nah am Ziel, so nah, endlich eine Familie zu werden, aber ihr Bruder schien entschlossen, seine Chance fortzuwerfen.
Isa wusste, dass Erziehungsheime selten einen guten Einfluss auf Jugendliche hatten, meistens wurden sie dort erst recht zu Kriminellen. Falls Rick sich nicht bald ein wenig kooperativer zeigte, würde der Richter ihn bestimmt zurückschicken.
Furcht befiel sie, die Furcht zu versagen. Ein Gefühl, das sie nur zu gut kannte, und das sie fast ihr ganzes Leben begleitet hatte.
Sie hatte ihrer Mutter versprochen, dass sie Ricky eine Familie geben und dafür sorgen würde, dass er die Schule nicht frühzeitig verließ. Jetzt hatten sie eine Chance. Das Ziel war nah. Sie musste jetzt etwas sagen, etwas tun …
Eine große warme Hand legte sich auf ihre eiskalten.
Sie riss den Blick von ihrem Bruder los und schaute ihren Mann an. Er beobachtete die Szene zwischen Rick und dem Richter.
„Aber als die Gang sich schließlich am Warenhaus befand, wusstest du, dass es sich um Diebstahl handelte, nicht wahr?“, fragte der Richter.
Der Junge zuckte erneut die Schultern. „Ich glaub schon.“
„Warum bist du dann trotzdem geblieben?“
„Keine Ahnung.“
Isa konnte sich nicht länger zurückhalten. „Entschuldigen Sie, dürfte ich etwas
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