Bianca Exklusiv Band 0226
das Thema zu kommen, dessentwegen sie an diesem Abend zusammengekommen waren. Nach einem schnellen Blick zu Justin fragte sie: „Hast du viele Geheimnisse, Susan?“
„Die meisten habe ich zu Weihnachten. Sie wissen schon, Geheimnisse wegen Geschenken für meine Großeltern und Dad. Und Sie und ich, wir haben ja auch ein Geheimnis, nicht?“
Tony kam mit den Salaten und Getränken, und sie warteten mit der Unterhaltung, bis er gegangen war.
„Ja, Susan, das haben wir. Aber hast du auch Geheimnisse, die dich traurig machen?“, fragte Allison.
Susan überlegte eine Weile und schüttelte dann den Kopf. „Sean hat mich mal richtig doll mit dem Ball getroffen, aber das ist kein echtes Geheimnis.“
Justin hatte sich im Sitz zurückgelehnt und überließ Allison die Befragung.
„Susan, wenn dich etwas quält, dann darfst du es mir erzählen. Ich bin deine Lehrerin und deine Freundin. Ich möchte nur herausfinden, warum du dich in letzter Zeit in der Klasse so ganz anders verhalten hast als sonst.“
„Sie und Daddy, habt ihr heute Abend Spaß?“, fragte die Kleine unvermittelt.
Allison runzelte die Stirn. Obwohl sie erst fünf Jahre alt war, sah es Susan gar nicht ähnlich, vom Thema abzukommen. Vielleicht verbarg sie allerdings etwas, über das sie nicht sprechen wollte. „Du hast meine Frage nicht beantwortet, Susan“, beharrte Allison.
„Das kann ich doch erst, wenn ihr mir sagt, ob ihr heute Abend Spaß habt“, erklärte Susan.
Allison blickte zu Justin. Er bedeutete ihr mit einer Geste, in ihrer Befragung fortzufahren.
Fühlte sie sich wohl? Allison dachte, wie angenehm es war, in Gesellschaft zu essen, statt immer allein, und wie schön es war, sich, zumindest für eine kurze Zeit, als Teil einer Familie zu fühlen.
„Ja, mir macht der Abend Spaß“, gestand sie Susan ein, die daraufhin erwartungsvoll zu ihrem Vater hinblickte.
„Mir auch“, bestätigte er. „Und wie ist es mit dir, Susan?“
Die Kleine kicherte vergnügt und klatschte in die Hände. „Mir geht es am bestesten wie noch nie.“
„Jetzt, da wir deine Frage beantwortet haben“, sagte Allison, um zum Thema zurückzukommen, „wirst du mir doch auch meine beantworten. Warum warst du in letzter Zeit in der Schule so oft ungezogen?“
Der Ausdruck, den Susans Gesicht annahm, war ganz anders, als Allison erwartet hatte. Sie hätte Furcht verstanden, Schmerz, sogar Wut. Was sie nicht verstand, war, dass Susan versuchte, beschämt auszusehen, dabei aber nicht verbergen konnte, wie außerordentlich vergnügt sie war.
„Ich wollte ja nicht unartig sein. Nicht wirklich“, gestand Susan ein. „Ich habe alles versucht, aber Sie und Daddy, ihr habt mir nicht zugehört.“
„Was hast du denn versucht, uns zu sagen?“, fragte Allison.
„Ich liebe meinen Daddy, und ich liebe Sie, Miss Greene.“ Susan lächelte versonnen und voller Unschuld. „Ich will, dass Sie sich in meinen Daddy verlieben. Dann können Sie zu uns kommen und bei uns wohnen.“
„Aber …“, begann Allison, doch Justin unterbrach sie.
„Heißt das, du warst in der Klasse ungezogen, damit Allison … äh … Miss Greene und ich uns heute Abend treffen?“
Susan nickte.
„Also all die Ungezogenheit hast du nur angestellt, damit ich deinen Vater anrufe und mich mit ihm verabrede?“ Allison konnte nicht umhin, den ausgeklügelten Plan des Mädchens zu bewundern.
„Sie wollten ja nicht mit meinem Daddy zum Essen gehen, als er Sie gefragt hat“, sagte Susan anklagend. „Als Meagan frech war, haben Sie mit ihren Eltern geredet. Und da habe ich gedacht, wenn ich auch ungezogen bin, dann rufen Sie meinen Daddy an. Aber das haben Sie nicht gemacht. Dann musste ich mir was anderes Böses ausdenken. Meagans Schnürsenkel wollte ich zerschneiden. Aber ihr Haar wollte ich nicht abschneiden. Das kam nur so, weil sie so was Gemeines über meine Mutter gesagt hat.“
„Vermisst du deine Mutter sehr?“, erkundigte Allison sich freundlich.
„Ich sehe mir ihr Bild an, aber ich kann mich nicht an sie erinnern“, sagte Susan. „Alle anderen haben eine Mutter. Manche von den Kindern haben sogar zwei. Ich möchte auch eine Mutter haben. Und ich finde, Miss Greene ist gerade richtig dafür. Findest du nicht auch, Daddy?“
Zu Justins Ehre musste gesagt werden, dass er ohne jede Verlegenheit reagierte, worüber Allison sehr erleichtert war. Er lächelte nur und meinte: „Du kennst Miss Greene viel besser als ich. Aber ich halte sie für eine sehr nette Frau
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