Bianca Exklusiv Band 0226
sich dicht hinter ihm. „Es gibt gar keine Bären, oder?“
„Sie streifen durch diese Wälder auf der Suche nach Nahrung, bei Tag und bei Nacht. Es hilft nicht gerade, dass die Touristen sie füttern.“
„Oh.“ Beunruhigt legte sie eine Hand auf die Schokoriegel in ihrer Tasche. Sie war also eine wandelnde Zielscheibe.
„Sie brauchen sich nicht zu sorgen. Halten Sie sich nur dicht hinter mir.“
Olivia unterdrückte eine Erwiderung. Sie war sich nicht sicher, wer eine größere Bedrohung für ihre Sicherheit und ihren Seelenfrieden darstellte: Drew Pierce oder ein Bär.
Abrupt blieb er stehen.
Mit gesenktem Kopf lief sie geradewegs gegen seinen Rücken, der sich stark und warm anfühlte.
Sie spähte an ihm vorbei. Auf einer Lichtung stand eine verlassene Hütte aus rustikalen Holzstämmen. Sie war lang und niedrig und überraschend groß. Überall standen Schilder, die das Betreten untersagten.
„Das ist Privatbesitz“, wandte Olivia ein. „Wir können nicht einfach einbrechen.“
Drew ignorierte ihre Worte, holte einen Schlüssel unter der Fußmatte hervor, öffnete die Tür und trat ein. „Ich kenne die Besitzer. Sie haben nichts dagegen.“ Er blickte sich um. Neben dem Kamin lag ein großer Stapel Feuerholz. „Sie scheint vor Kurzem noch benutzt worden zu sein, wahrscheinlich als Jagdhütte.“
Olivia musterte die spärliche Einrichtung – ein schiefer Eichentisch mit Stühlen, ein Sofa und zwei schmale Feldbetten, jedes an einer Wand. Eine Tür führte offensichtlich in eine Küche. Sie hoffte, dass auch ein Badezimmer vorhanden war.
Drew fand eine alte Petroleumlampe und entzündete sie. Das kleine Licht flackerte und tauchte die Ecken des Raumes in Schatten.
„Jagen Sie?“, fragte Olivia.
„Früher mal.“ Er erklärte nicht, dass er es vor Jahren aufgegeben hatte, nachdem er aus Versehen den Hund der Nachbarn erschossen hatte. Die Carlisles hatten es ihm nie verziehen – das und unzählige andere Dinge.
Olivias Anblick in der Wolldecke brachte ihn zurück in die Gegenwart. Sie sah halb erfroren aus. Schnell machte er ein Feuer im Kamin. „Das Holz dürfte für die nächsten Stunden reichen“, sagte er zufrieden. „Im Schuppen hinter dem Haus befindet sich ein Generator, aber ich glaube nicht, dass Sie ihn brauchen werden.“
„Wo wollen Sie denn hin?“
„Nachsehen, ob ich einen Mechaniker auftreiben kann. Stillwater liegt nur ein paar Meilen zurück.“
„Aber es regnet.“
Er ging zur Tür. „Entweder ich gehe, oder wir müssen die Nacht hier verbringen.“
Ihr Blick glitt über die schmalen Feldbetten. Sie wickelte die Decke fester um sich und folgte ihm hinaus auf die überdachte Veranda. „Okay“, murmelte sie, obwohl die Vorstellung, allein zu bleiben, sie beunruhigte.
Er spürte ihr Unbehagen. „Spazieren Sie nicht allein im Finstern herum. In der Nähe gibt es einen See und Felsvorsprünge. Und dann sind da noch die Bären.“
„Ich habe ja mein Pfefferspray.“
Er lachte. „Ich bin in ein paar Stunden zurück.“
Sie nickte. Trotz des Wunsches, ihn zu halten, ließ sie ihn gehen. Obwohl sie keine Garantie hatte, glaubte sie nicht, dass er sie im Stich lassen würde. Wahrscheinlich würde er ihr jemanden schicken, der sie abholte. Mehr Rücksichtnahme erwartete sie nicht von ihm. Schließlich war er ihr nichts schuldig. Sie wusste außerdem, wie leicht Versprechen gebrochen wurden.
Wie oft hatte ihre Mutter sie als Kind zu Freunden oder Nachbarn abgeschoben, um sich mit dem gerade aktuellen Mann zu amüsieren? Olivia hatte nie gewusst, wann – oder ob überhaupt – Avis zurückkehren würde. Meistens waren die Leute freundlich zu ihr gewesen, aber es hatte die Geduld selbst der großherzigsten Freunde strapaziert, für längere Zeit ein fremdes, kleines Kind am Hals zu haben. Sie hatte gelernt, die Anzeichen zu erkennen, wenn sie nicht länger willkommen war.
Nun, als sie Drew in die finstere Nacht entschwinden sah, dachte sie an all die anderen Versprechen, die nicht eingehalten worden waren. Olivia beabsichtigte bestimmt nicht, sich auf die Zusage eines Mannes zu verlassen. Sie seufzte. Es war das perfekte Ende eines frustrierenden Tages.
3. KAPITEL
Stillwater hatte sich kaum verändert. Ein klarer blauer See bot Freizeitaktivitäten und zog das ganze Jahr lang Touristen an. Die Herbstsaison war in vollem Gange, und daher war vermutlich jedes Hotel im Umkreis von Meilen total ausgebucht.
Die Stadt war Drew nur allzu vertraut. Er war im
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