Bianca Exklusiv Band 11
Vorwahl. Max Mazzardi würde bald merken, dass sie die Wahrheit sprach.
Während sie Lionel überschwänglich begrüßte und ihn nach den Heimbewohnern fragte, fühlte sie Max' Blick auf sich ruhen. Lucy wurde noch unbehaglicher, als sie ihren Stiefvater fragte, ob sie noch zwei Tage länger bleiben könne. Doch Lionel versicherte ihr prompt, sie würden auch eine ganze Woche ohne ihre Schokoladentorten auskommen, länger jedoch nicht, sonst gäbe es eine Meuterei.
Lucys Lippen zitterten leicht, als sie den Hörer auflegte.
„Sie leiten also tatsächlich ein Heim", stellte Max fest.
„Das habe ich Ihnen doch gesagt", erwiderte Lucy mit erstickter Stimme. Alle vermissten sie schrecklich, obwohl sie gut betreut wurden. Auf Lionels Frage nach Selina hatte sie nur ausweichend geantwortet.
Max war während des Telefonats näher getreten. „Sie klangen sehr besorgt", sagte er.
„Natürlich", erwiderte Lucy. „Sie müssten das doch nachvollziehen können - es geht um Menschen, die mir etwas bedeuten und die von mir abhängig sind. Sehen Sie, Max, ich verstehe ja, dass Sie wütend über Renzos Fortgehen sind, weil Sie dadurch gezwungen sind, hier nach dem Rechten zu sehen, statt Ihren eigenen Interessen nachzugehen. Aber daran bin ich doch nicht schuld. Sie müssen doch einsehen, dass ich hier nicht länger als bis Ende der Woche bleiben kann. Dann nämlich muss meine Vertretung den nächsten Posten übernehmen."
„Komisch", meinte Max kopfschüttelnd. „Wir befinden uns hier auf einer der schönsten Inseln der Welt, inmitten von sonnigen, exotischen Gärten, und Sie können es nicht erwarten, ins verregnete England zurückzukehren."
Lucy lächelte schwach. „Ja, es klingt verrückt. Aber Sie verstehen mich doch, nicht wahr?"
„Ja", nickte Max. „Ich glaube, ich habe sie wohl doch nicht ganz richtig beurteilt. Vielleicht haben Sie in gutem Glauben gehandelt. Das wird sich ja zeigen. So, und jetzt ist es Zeit, unsere erste Gruppe herumzuführen."
Im Laufe des Vormittags entdeckte Lucy, dass Max Mazzardi auch überaus charmant und liebenswürdig sein konnte. Er geleitete die Besucher wie ein gewiefter Fremdenführer durch seinen Palast, beantwortete unermüdlich und humorvoll auch die ausgefallensten Fragen, wich Dingen, die die Familie betrafen, geschickt aus, lotste Kinder von hohen Balkons über dem See, beschlagnahmte lächelnd ihre Kaugummis und verlor niemals die Geduld. Nichts erinnerte mehr an den gereizten, Furcht einflößenden Mann, den Lucy vorher erlebt hatte.
Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, aber sie gab sich Mühe, weil sie wusste, dass sie sich nur allzu bald beweisen musste. Also versuchte sie zu lernen, was ihr gar nicht leicht fiel, weil Max' schillernde Persönlichkeit sie faszinierte. Seine Ausstrahlung übertrug sich auch auf die anderen. Mit seiner anschaulichen, unterhaltsamen Art erweckte er die Geschichte des Palazzos und seiner Vorfahren zum Leben.
„Sieht er nicht toll aus?" seufzte ein Mädchen in der Gruppe, das etwa in Lucys Alter sein mochte. „So viel geballte Kraft und Temperament! Ich wette, er ist umwerfend im Bett."
Lucy errötete, denn da gerade ein kurzes Schweigen eingetreten war, hatten die anderen in der Gruppe die Bemerkung mitbekommen. Das schien das Mädchen jedoch keineswegs zu stören, denn es lächelte Max vielsagend an.
Danach begann die Gruppe, Max erbarmungslos zu necken, und selbst er hatte jetzt Mühe, sie unter Kontrolle zu halten. Max war erleichtert, als die Führung zu Ende war und die Besucher auf die ausgedehnten Gartenanlagen zusteuerten.
Er blickte Lucy fragend an. „Wie wär's jetzt mit einer Tasse Kaffee?"
„Gern."
Max stellte die Zeiger der Uhr auf der Hinweistafel auf die nächste Besichtigungszeit, dann führte er Lucy einen schmalen Pfad unter hohen, blühenden Magnolienbäumen entlang. Sie machten eine Viertelstunde Pause, für die Lucy dankbar war.
„Ich wusste nicht, dass die Besucher so anstrengend sein können", gestand sie und ließ sich aufatmend in einen Korbsessel sinken.
„Wir ziehen hier ja auch buchstäblich eine Schau ab. Machen Sie es sich lieber nicht zu gemütlich", warnte Max und bediente sich an einer Kaffeemaschine, die auf einem Imbissbüfett stand. „Uns bleibt nicht viel Zeit. Also, was ist bei Ihnen von meinen Vorträgen hängen geblieben? Wie lange sind die Mazzardis denn schon hier?"
„Seit 1547", antwortete Lucy, die sich ein Plätzchen in den Mund geschoben hatte. Wollte Max die
Weitere Kostenlose Bücher