Bianca Exklusiv Band 229
er mit ihr in die Stadt, um Hosen, Pullover, Stiefel und einen warme Jacke zu kaufen. Nachdem sie dem Winterwetter entsprechend angezogen war, führte er sie auf der Farm herum und zeigte ihr auch das Fohlen, das erst vor drei Tagen auf die Welt gekommen war.
„Hier ist alles funktionell und modern“, erklärte Joshua ihr. „Obwohl manche Leute behaupten, dies wäre mein Hobby, ist eine Farm von dieser Größe doch eine Investition. Es arbeiten eine ganze Zahl von Leuten hier, und Greg managt alles, wenn ich nicht anwesend bin. Seit ich die Farm gekauft habe, sind wir ständig in den schwarzen Zahlen.“
„Das ist eine beträchtliche Leistung“, meinte Kit, als sie den Schnee von ihren Stiefeln abstampften und das Haus durch eine der Hintertüren betraten.
„Das finde ich auch“, erwiderte er und schaltete das Licht an. Um fünf Uhr nachmittags war die Sonne bereits untergegangen, und dicke graue Wolken verkündeten neuen Schneefall.
Sie könnte ihre Abreise nach Manhattan für immer verschieben, dachte Joshua, als er am nächsten Morgen erwachte. Es war richtig gewesen, Kit hierher zu bringen, fand er. Er könnte sich daran gewöhnen, jeden Morgen neben ihr aufzuwachen. Sanft strich er ihr eine rotblonde Locke aus dem Gesicht. Sie war so schön, wenn sie schlief. Ihr Gesicht hatte dann den unschuldigen Ausdruck eines kleinen Mädchens. Nichts deutete mehr auf die bekannte Kit O’Brien hin, die in den Boulevardzeitungen Schlagzeilen machte. Das erste Mal, seit er sie kennengelernt hatte, schien sie in sich zu ruhen. Nur wenn sie sich liebten, kam noch ihr berühmtes Temperament durch.
Joshua glitt vorsichtig aus dem Bett. So sehr er sich auch danach sehnte, den ganzen Tag mit Kit im Bett zu verbringen, so musste er doch an seine Verpflichtungen denken. Greg erwartete ihn in einer halben Stunde am Stall. Die Sonne war bereits aufgegangen, und er hatte gerade noch genug Zeit, um sich anzuziehen und eine Tasse Kaffee zu trinken.
Zwanzig Minuten später stand Joshua vor dem Wandschrank im Flur. Die Temperaturen waren noch tiefer als am Tag zuvor, und er wollte seine warme Daunenjacke anziehen. Er schob die anderen Jacken und Mäntel zur Seite, und dabei fiel Kits Koffer um.
„Ich wusste, ich hätte ihn woanders verstauen sollen“, schimpfte er laut und bückte sich, um den Koffer aufzuheben. Dabei rollte ein Lippenstift heraus. Wahrscheinlich hatte Kit sich ihre Kulturtasche aus dem Trolley geholt und dabei den Reißverschluss nicht wieder geschlossen.
Er wollte gerade den Lippenstift hineinstecken und den Koffer wieder schließen, als ihm ein großer Umschlag auffiel, auf den sein Name gekritzelt stand.
Stirnrunzelnd holte er den Umschlag aus dem Trolley heraus. Er trug Kits Schiffsadresse und als Absender einen der O’Brien Verlage. Der Umschlag war nicht zugeklebt, und obwohl Joshua ein schlechtes Gewissen hatte, zog er den Inhalt entschlossen heraus.
Und dann sah er es. Die Vergangenheit sprang ihm wie ein bösartiges Tier ins Gesicht. Schwarz auf weiß in Form von alten Zeitungsartikeln lagen alle hässlichen Fakten seines Lebens vor ihm. Auf eins der Papiere hatte jemand mit großen Buchstaben „ACHTE AUF DEN FAMILIÄREN BEZUG“ geschrieben.
Joshua las die Artikel und spürte erneut die Zurückweisung und den Schmerz, den sein Vater ihm zugefügt hatte. Der Mann, der seinen eigenen Sohn wegen eines kindischen Fehlers von sich gestoßen hatte. Joshua war so nah daran gewesen, sich endlich von seiner Vergangenheit zu befreien, doch jetzt griff sie wieder nach ihm.
Er steckte die Artikel zurück in den Umschlag und holte dann das Notizbuch heraus, das sich ebenfalls in dem Trolley befand. Er öffnete es und starrte fassungslos auf die erste Seite. Kit hatte sich handschriftliche Notizen gemacht. Über Dinge, die er ihr erzählt, Dinge, die sie erlebt hatten.
Joshua warf das Notizbuch so hastig in den Koffer zurück, als ob er sich verbrannt hätte. Er hatte Kit O’Brien vertraut.
Wie blind war er nur gewesen.
Dumm, wie er war, hatte er ihr Dinge anvertraut, die er keinem Menschen je zuvor erzählt hatte. Joshua fluchte laut. Er hatte geglaubt, dass sie anders wäre, aber sie war genauso schlimm wie Marilyn, vielleicht noch schlimmer.
Joshua schob den Trolley zurück in den Wandschrank und schlug die Tür zu. Er hatte sich Kit geöffnet, wie er sich nie zuvor einem Menschen geöffnet hatte. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Warum hatte er ihr nur so vertraut? Er liebte sie nicht mal. Er
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