Bianca Exklusiv Band 87
Holzstapel. Vor ihnen breitete sich ein kleiner Hafen mit einem Anlegesteg aus, an dem mit Segeltuch abgedeckte Fischerboote lagen. Lucys Stimmung hob sich.
Sie entdeckte mehrere Wassertaxis, die halb auf das sanft abfallende Ufer gezogen waren. Im Nu hatte das Boot des Fremden sie erreicht, und das Knirschen unter dem Kiel verriet, dass die Fahrt zu Ende war.
„Was schulde ich Ihnen?” fragte Lucy, ohne den Fremden anzusehen.
„Nichts.”
Sie blickte nicht auf. „Ich sagte, wie viel?”
„Gegen einen Kuss als Bezahlung hätte ich nichts einzuwenden”, erwiderte er leise.
„Dann müssen Sie sich ohne Bezahlung zufrieden geben.”
Er lachte zuversichtlich. „Ich kassiere später.”
„Das glaube ich kaum.” Lucy griff nach ihrem Koffer. Der Fremde nahm ihn ihr ab und half ihr beim Aussteigen.
„Danke.”
„Es war mir ein Vergnügen”, erwiderte er feierlich. Lucys abweisende Art schien ihre Wirkung auf ihn zu verfehlen. „Das Hotel ist dort drüben rechts”, setzte er hinzu. „Genießen Sie Ihr Bad. Ich werde an Sie denken.” Er lächelte. „Sie sind so ernst. Nehmen Sie die Dinge leichter. Und lassen Sie sich die Schönheit des Sees nicht entgehen. Denken Sie daran, was er symbolisiert.”
Ihre Blicke begegneten sich und hielten sich fest. Lucy brauchte ihre ganze Willenskraft, um sich abzuwenden. Die Fischer in der Nähe blickten neugierig zu ihr herüber und nickten ihr freundlich zu.
„Bis bald!” rief der Fremde ihr nach und warf den Motor an.
„Lieber nicht”, erwiderte Lucy und machte sich auf den Weg zum Hotel.
3. KAPITEL
„Selina!” Lucy stellte ihren Koffer in der kleinen Hotelhalle ab, und ihre Halbschwester eilte ihr entgegen. Selina war tiefgebräunt und wie immer gekonnt zurechtgemacht. Obwohl Lucy gut fünfzehn Zentimeter kleiner war als Selina, hatte sie sofort das Bedürfnis, ihre Stiefschwester zu beschützen.
„Du kommst spät”, sagte Selina vorwurfsvoll. „Ich warte schon eine Ewigkeit auf dich.”
„Aber du hast doch gesagt…”
„Es hat sich etwas geändert. Hol deinen Schlüssel, dann können wir reden”, drängte Selina.
Lucy erledigte die Anmeldeformalitäten, während der Geschäftsführer die Zimmerreservierungen durchging. „Musst du denn nicht arbeiten?” fragte sie und blickte Selina forschend an. Hoffentlich hatte sie ihre Stelle inzwischen nicht verloren und stand ohne Verdienst da.
„Ich werde mich krankmelden. Diese Sache ist wichtiger als die Arbeit. Ich hatte gedacht, ich könnte dich in der Mittagspause treffen, aber du kamst einfach nicht. Was war denn los?
Hast du etwa schon eine Besichtigungstour unternommen?”
Lucy hatte Gewissensbisse. Die Bootsfahrt hätte nur die halbe Zeit zu dauern brauchen.
„Du hast doch aber gesagt, du könntest erst nach dem Abendessen kommen”, erinnerte Lucy ihre Schwester und nahm den Zimmerschlüssel entgegen.
„Sicher, aber diese Geschichte ist superdringend. Sie werden ohne mich auskommen müssen. Gehen wir, uns bleibt nicht viel Zeit.”
Lucy gefiel die Sache nicht. „Hör mal, du solltest lieber zu deiner Arbeit zurückkehren, ehe jemand merkt, dass du fehlst”, meinte sie ruhig. „Außerdem ist mir noch nicht nach Reden zu Mute. Ich hatte eine Menge zu tun und bin müde.”
„Du hattest eine Menge zu tun? Und was ist mit mir? Du hast ja keine Ahnung, was ich durchgemacht habe! Ich lebe in ständiger Angst, im Gefängnis zu landen oder ausgewiesen zu werden.” Selina schob ihre Schwester auf die Treppe zu und winkte einen vorbeigehenden Kellner heran. „Due Cognac, molto grande, per favore.”
Der junge Mann nickte und ließ den Blick verstohlen über Selinas schönes blondes Haar und ihren wohlgeformten Busen gleiten, von dem ihr tief ausgeschnittenes Sommerkleid eine Menge sehen ließ.
„Hier war der Teufel los”, stöhnte sie, während sie Lucy nach oben führte.
„Ich habe seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen und möchte keinen Cognac, ich …”
„Keine Sorge”, schnitt Selina ihrer Schwester das Wort ab, „notfalls trinke ich beide. Hier ist dein Zimmer …”
Resigniert ließ Lucy sich den Schlüssel abnehmen und folgte Selina in den abgedunkelten Raum. Dort ließ sie sich auf das Bett sinken und streifte ihre Sandaletten ab.
„Du packst aus, und ich berichte dir alles.” Selina stieß die grünen Verandatüren auf, und helles Sonnenlicht durchflutete den Raum.
Lucy blickte sich beeindruckt um. Der Raum war groß und wurde von einem Doppelbett mit
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