Bianca Exklusiv Band 87
Abend war Lucy in der Trattoria sehr nervös, erst recht, als zwei Polizisten hereinkamen, sie interessiert musterten und sich dann an einen ihrer Tische setzten.
Mit ausdrucksloser Miene ging Lucy zu den beiden Männern und reichte ihnen die Speisekarten. Dann trat sie so hastig den Rückzug an, dass sie mit einem Mann zusammenstieß, der hinter sie getreten war. Als seine Hände ihre Schultern berührten, wusste Lucy auch ohne sich umzudrehen, wer es war. Jetzt würde Max wissen wollen, was sie hier tat!
„Flirten Sie mit unseren Polizisten?” spöttelte er. „Versuchen Sie, sie für sich einzunehmen?”
„Entschuldigen Sie, aber ich muss mich um die Gäste kümmern”, sagte Lucy über die Schulter hinweg.
Max drehte sie langsam zu sich um und musterte die weiße Schürze und den Bestellblock, den Lucy in der Hand hielt. Überrascht ließ er Lucy los und sah zu, wie sie in die Küche eilte.
Lucy erholte sich einen Augenblick von dem Schreck, dann riss sie sich zusammen. Sie konnte schließlich nicht den ganzen Abend in der Küche verbringen. Also überprüfte sie hocherhobenen Hauptes die anderen Tische, dann nahm sie allen Mut zusammen und trat wieder zu Max und den beiden Polizisten. Sicher bespricht er mit ihnen, wie man Selina ausfindig machen kann, dachte sie düster. „Wir nehmen zwei Mal Kalbsbraten, einmal Huhn, eine Flasche Weißwein, die Hausmarke, und Mineralwasser.”
„Mit Kohlensäure?” fragte Lucy kühl.
„Ohne”, erwiderte Max. „Wann sind Sie hier fertig?”
„Wenn der Abwasch erledigt ist”, antwortete Lucy kurz und ging davon.
Jedes Mal, wenn sie an den Tisch kam, fühlte sie Max’ Blick auf sich gerichtet. Die Männer blieben lange. Sie unterhielten sich angeregt und tranken nach dem Essen Kaffee und Cognac. Endlich bezahlten sie und verließen das Lokal, ohne ein Trinkgeld zu hinterlassen.
Lucy räumte das Geschirr ab und atmete auf. Die letzten Gäste waren gegangen. Sie machte sich über den Abwasch her, dann bezahlte sie der Besitzer, der sich lobend über ihre Tüchtigkeit äußerte.
Als Lucy zur Fähre ging, trat Max aus dem Schatten einer Wasserulme hervor. „Hier entlang.”
Lucy war zu müde, um sich zu widersetzen, und folgte Max mechanisch. Sie wehrte sich auch nicht, als er ihre Hand ergriff, um ihr an Bord seines Motorboots zu helfen.
Sie lehnte sich gegen die Kissen und blickte in die Nacht hinaus. Schweigend hielten sie auf die Insel Mazzardi zu. Schließlich schaltete Max den Motor aus, und gleich darauf schaukelte das Boot nur noch langsam auf dem Wasser.
„Ich höre”, sagte Max.
„Also gut.” Lucy war es leid, Selina zu decken, Tag und Nacht zu arbeiten und sich Sorgen um ihre Lieben daheim zu machen. Einmal wollte sie egoistisch sein und etwas für sich tun, und im Augenblick war ihr nichts wichtiger, als sich vor Max zu rechtfertigen.
„Fangen wir am Besten von vorn an”, schlug er vor und setzte sich zu Lucy. „Sie haben seit Ihrer Ankunft in der Trattoria gearbeitet?”
„Ja.”
„Deswegen kamen Sie immer erst gegen Morgen nach Hause?”
Lucy nickte stumm. Max seufzte. „Warum haben Sie mir denn um Himmels willen nichts davon gesagt?”
„Sie haben mir keine Gelegenheit dazu gegeben”, antwortete Lucy müde. „Sie hatten sich doch längst ein festes Bild von mir gemacht.”
„Ich dachte …” Max runzelte die Brauen. „In der ersten Nacht waren Sie zerzaust, und man hätte glauben können, Sie seien betrunken.”
„Nicht betrunken, nur sehr, sehr müde.”
„Großer Gott! Wenn ich das gewusst hätte! Wie konnten Sie aber auch … Warum haben Sie die Arbeit überhaupt angenommen?” fragte Max kopfschüttelnd.
„Ich habe kein Geld, und irgendwie musste ich die Hotelrechnung ja bezahlen.”
„Man reist doch aber nicht ohne Geld. Sie müssen doch wenigstens so viel dabei gehabt haben, um die wichtigsten Ausgaben zu bestreiten.”
„Das hatte ich auch. Aber Selina … Ach, Max, sie hatte solche Angst! Sie musste es tun. Sie hat mein Geld eingesteckt, während ich mit Ihnen zu Abend aß. Alles, bis auf den letzten Pfennig. Und meine Sachen hat sie auch mitgenommen”, setzte Lucy unglücklich hinzu.
„Das ist ja unglaublich!” Max zog sie an sich. „Wie schrecklich für Sie!”
Lucy war so erleichtert, als sie den Kopf an seine Brust legte. Max glaubte ihr!
„Dummerchen.” Er streichelte ihr Haar. „Wenn Sie mir doch nur gesagt hätten, was los ist … Ich muss mich ja abscheulich aufgeführt haben, wenn
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