Bianca Extra Band 01
sie kaum noch gesehen. Zwischen den beiden hatte es einfach gefunkt.
„Sie hat dir nicht direkt etwas vererbt. Nach den beiden Testamenten erhältst du gemeinsam mit Darius das Sorgerecht für ihren Sohn.“
Whitneys Magen zog sich zusammen. „Was?“
„Der Unfall, der dir deine Familie genommen hat, ist nun drei Jahre her. Es ist an der Zeit, dass du unter die Lebenden zurückkehrst.“ Ihr Vater zog einen kleinen Umschlag aus dem Aktenstapel auf dem Kaffeetisch. „Sie hat dir diese Notiz hinterlassen.“
Whitney ergriff den Umschlag und erblasste.
„Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie beide sterben würden, wollte Stephone, dass Darius ihren Sohn aufzieht. Aber Missy blieb stur dabei, dass du auch das Sorgerecht haben solltest. Die Andreas-Brüder sind reich und verwöhnt. Sie wissen nicht einmal, dass ihr Vater noch einen Sohn hatte. Ich glaube, Missy hat dich mit zur Erziehungsberechtigten ernannt, damit der kleine Gino bei jemandem ist, den sie für dazu fähig hielt, für ihr Baby zu sorgen.“
„Aber ich kenne Gino gar nicht! Als Missy und Stephone nach Griechenland zogen, haben wir uns aus den Augen verloren. Ich werde auch nicht besser für ihn sein als sein Bruder.“
„Du kennst zwar Gino nicht, aber Missy kannte dich. Sie wusste, wie wichtig dir Familie ist. Und dass du einen starken Gerechtigkeitssinn hast. Und du warst auch Mutter. Du wirst Gino kennenlernen, und Gino wird sich an dich gewöhnen, weil er ja noch so klein ist.“ Er drückte ihre Hand. „Außerdem brauchst du das.“
Sie versuchte, sich vom Sofa hochzudrücken, aber ihr Vater ließ ihre Hand nicht los. Sie sah ihn hitzig an. „Nein! Ich brauche das nicht ! Es geht mir gut!“
„Es geht dir nicht gut. Sonst würde es dich nicht so wütend machen, das Sorgerecht für Gino zu bekommen.“
Er rief seine Assistentin an: „Cynthia, bitte bringen Sie Gino herein.“
Whitney blieb das Herz stehen. Ihr Magen zog sich zusammen. Seit drei Jahren hatte sie jede Nähe zu Babys vermieden. Der Geruch von Babypuder, eine kuschelig weiche Decke oder der Anblick eines Wesens, das so klein, so hilflos und so schön war, hätte sie komplett aus der Fassung gebracht. Und nun wollte ihr Vater, dass sie ein Baby mit nach Hause nahm?
Die Seitentür ging auf, und Cynthia Smith kam herein, mit dem sechs Monate alten Gino Andreas in einer Tragetasche sowie einer Wickeltasche und einer Reisetasche.
„Deine Mutter und ich haben uns während des Begräbnisses um Gino gekümmert, aber nun ist es Zeit, dass du ihn nimmst.“ Er stand auf und nahm die Trage von Cynthia entgegen. „Danke, Cyn.“
„Bitte.“
Während Cynthia hinausging, stellte Whitneys Vater die Tragetasche auf das Sofa, hob den dunkelhaarigen Jungen heraus und hielt ihn ihr hin. „Er gehört jetzt zu dir, Whitney.“
Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit ihrem Vater zu streiten, darum steckte Whitney den Umschlag ein und nahm das Baby mit zitternden Händen. Es begann sofort zu weinen.
„Nein, du musst doch nicht weinen, Schätzchen“, murmelte sie beruhigend und drückte seinen Kopf gegen ihre Schulter, um Gino zu trösten. „Es ist alles in Ordnung.“
Ihre instinktive Reaktion auf sein Schreien erstaunte sie, nicht jedoch der Schmerz, der sie durchfuhr – und die Erinnerungen. Ihre Tochter war zierlich und blond gewesen, mit blauen Augen. Sie hatte kaum geweint, außer wenn sie ihre Mutter vermisst hatte. Sie hatte Bananen gemocht und Welpen. Für Whitney war sie das klügste Baby der Welt gewesen.
Whitney stiegen Tränen in die Augen. Sie konnte das nicht.
Vielleicht brauchte sie noch mehr Stunden bei ihrem Therapeuten?
Doch bevor sie etwas sagen konnte, ging die Bürotür auf. In Jeans, Cowboystiefeln und einem Pullover mit Zopfmuster kam als Erster Cade Andreas herein. Hinter ihm kam Nick, der dunkelhaarige Bruder, der dem Vater am meisten ähnelte. Und schließlich Darius. Größer als der Vater, aber mit ebenso dunklen Augen und Haaren wie dieser und beeindruckend in seinem Anzug – es war klar, dass Darius der Leitwolf war.
Die drei wirkten ernst, aber stark. Fast arrogant. Das Oberhaupt der Familie Andreas war tot. Nun hatten sie das Sagen in einem der weltweit größten Versandunternehmen.
Dachten sie zumindest.
Whitney sah das Baby in ihren Armen an. Zum ersten Mal seit drei Jahren fühlte sie den Beschützerinstinkt, den nur eine Mutter hatte, und plötzlich verstand sie, warum Missy auch ihr das Sorgerecht gegeben hatte. Die
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