Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Gedanken. Nach dem Bad fühlte sie sich sauber, entspannt und gut gelaunt. Soll er doch seine Kebse haben, dachte sie zum wiederholten Mal. Andere Fürsten halten es ebenso und keinen regt es auf, ausgenommen vielleicht die jeweiligen Gemahlinnen. Ich jedenfalls habe mir vorgenommen, gelassen zu bleiben und keine Gefühle zu zeigen, weder Eifersucht noch Missgunst. Etwas wie Überlegenheit schon, das in jedem Fall. Schließlich bin ich die Königin und Kaiserin, habe einen gesunden Sohn geboren und werde – jung genug bin ich ja – noch weitere Kinder bekommen. Bei der Kebse ist es wohl damit vorbei. Vielleicht gibt es auch keine Bettgeschichten mehr, nachdem ich ihm gezeigt habe, wozu eine englische Prinzessin fähig ist. Diese Südländer glauben ja, sie haben die Leidenschaft gepachtet! Dann erinnerte sie sich an Biancas Besuch in Noventa und die abendliche Szene mit dem Smaragdring. Etwas Ähnliches |346| darf kein zweites Mal geschehen, nahm sie sich vor. Nein, ich werde eine kühle Überlegenheit zeigen, aber nicht zu deutlich. Vielleicht wäre auch eine leise Verachtung angebracht oder noch besser eine Betonung meines Ranges, der ja eine Herabsetzung des ihren mit einschließt.
Ja, auch die Königin macht sich Gedanken, doch die ganze Grübelei trägt dann oft keine wirklichen Früchte, wenn die Gefühle übermächtig werden und der Mund ausspricht, was besser im Herzen verschlossen bleiben sollte.
Dass Bianca an diesem Abend in einer weit schwächeren Position war, lag an einem dicken Ast, den ein Sturm losgerissen und ins hohe Gras geschleudert hatte. Das hört sich recht geheimnisvoll an, ist aber leicht aufzuklären.
9
Ehe Friedrich nach Lucera weiterzog, schrieb er ein paar eigenhändige Zeilen an Bianca und schickte einen zuverlässigen Boten nach Melfi. Der Mann hatte sich schon öfter bewährt und hätte es wohl auch diesmal getan, wäre er nicht auf die Idee gekommen, eine nur ihm bekannte Abkürzung zu nehmen, um noch vor Einbruch der Nacht den Ort Candela zu erreichen. Dabei musste er eine kleine Lichtung überqueren, die mit hohem dünnen, schon halb verdorrtem Gras bewachsen war. Vor einigen Wochen hatte eine Sturmböe dorthin einen morschen Buchenast geschleudert, der – von kleineren Zweigen gestützt – kniehoch, doch kaum sichtbar zwischen den Grashalmen lag.
Das Pferd stolperte, stürzte und warf seinen Reiter in hohem Bogen ab. Der Bote streckte die Hände vor, um den Sturz zu mildern, doch er fiel im schrägen Winkel zuerst auf den Hinterkopf und dann auf den Rücken. Er wurde sofort bewusstlos, hatte aber das Glück, dass ein Schäfer ihn sah. Der
pecorajo
war gerade dabei, seine Herde für die Nacht in den Pferch am Waldrand zu treiben, als er das hier ungewöhnliche Geräusch eines galoppierenden Pferdes hörte. Als Ross und Reiter plötzlich im hohen Gras verschwanden, schloss er den Pferch und ging zu der Stelle. Sein
mastino
lief neugierig voraus und bellte dann wie verrückt. Der Schäfer versuchte, |347| den Gestürzten aufzurichten, doch der stöhnte nur leise und hielt die Augen geschlossen. An der wappengeschmückten Kleidung und dem Kaiseradler auf der Satteltasche erkannte der Schäfer, dass hier wohl ein wichtiger Mann unterwegs war, dachte an eine mögliche Belohnung und trug den Boten zu seinem Karren. Der Bursche war nicht allzu schwer, außerdem hatte er schon einen schwer verletzten Schafbock getragen, der gewiss nicht leichter gewesen war. Das Pferd band er an den nächsten Baum. Die Schäfer sind in der Regel auf sich allein gestellt und haben oft ein Wissen, das dem der Dorfbarbiere gleichkommt.
Am nächsten Morgen fand er den Boten wach und hörte ihn sagen, dass es ihm trotz mehrmaligem Versuch nicht gelungen sei aufzustehen.
„Darf ich Euch ein wenig abtasten?“
Der Bote nickte und der Schäfer befühlte jedes einzelne Glied auf einen Bruch, doch da war nichts. Er schüttelte den Kopf.
„Anscheinend nichts gebrochen, da muss wohl etwas gezerrt oder verstaucht sein.“
„Was lässt sich da machen?“
„Abwarten. Ich werde Euch mit einer Heilsalbe einreiben.“
Die hatte der Schäfer aus Beinwell, Arnika, Johanniskraut und Hammelfett selber gemacht. Sie stank fürchterlich, brachte aber doch einige Erleichterung.
Am vierten Tag war der Bote nicht mehr zu halten. Er gab dem Schäfer zwei
grossi
und der musste ihn auf den Sattel heben – eine recht schmerzvolle Prozedur.
So erhielt Bianca den Brief des Geliebten mit dreitägiger Verspätung, was
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