Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
gewählt, weil er aus guter Familie kam, er war etwas beschränkten Geistes und mischte sich nicht in die Geschäfte der anderen. Seine kurze, eher trockene Empfangsrede wurde durch Don Tommasos blumigen Willkommensgruß mehr als aufgewogen. Der Dompfarrer hatte diese Pflicht wohlüberlegt dem Amtsbruder überlassen, um einem möglichen späteren Vorwurf zu begegnen, er habe das Falsche gesagt. Der Kaiser hatte ihm für diesen Herbst das Bistum Melfi verbindlich zugesagt und bis dahin durfte er sich keinen Fehler erlauben.
Für die Königin hatte man den künftigen Bischofsstuhl vor den Dom in den Schatten gestellt und als Don Tommaso zu reden begann – es klang wie eine Predigt –, setzte sie eine freundlich-gespannte Miene auf. Natürlich sprach er Latein, doch es werde – so wurde ihr versichert – eine englische Übersetzung vorbereitet.
„Der Besuch Eurer kaiserlichen Majestät ist für diese Stadt eine unverdiente Ehre – ja, wir empfinden es als ein Gottesgeschenk. Ein wenig entschädigt uns das für die Abwesenheit Seiner Majestät des Kaisers, für dessen Wohlfahrt wir alle beten. Lastet doch schwer auf ihm und unserem Land das Interdictum Seiner Heiligkeit, des Papstes.“
|342| An dieser Stelle räusperte sich der Dompfarrer laut, um seinen Unwillen deutlich zu machen. Don Tommaso achtete nicht darauf, sang weiter ein inhaltsleeres Loblied auf die Königin und endete: „Eure Majestät möge in das Bittgebet einstimmen, um den Kaiser aus den Klauen böser Mächte zu befreien.“
Damit ist Donna Bianca gemeint, dachte der Dompfarrer, und verband damit die Hoffnung, diese Bemerkung möge aus dem Hofkaplan einen Büßermönch in einem abgelegenen Kloster machen. Tatsächlich war es so, dass Don Tommaso unter den „Klauen der bösen Mächte“ nicht nur Biancas „Hexenkünste“ verstand, sondern all jene Berater – an der Spitze Petrus de Vinea –, die den Kaiser in seiner Gegnerschaft zum Papst unterstützten.
Aber das war jetzt weniger wichtig, denn nach dem Empfang durch die Stadt ging es hinauf zum Kastell. Dort wusste man längst, dass Königin Isabella hier in Kürze Einlass begehren würde. Don Gentile, inzwischen einziger Capitano der stark verkleinerten Palastwache, hatte die überraschende Nachricht sofort an Donna Bianca weitergeleitet. Wie stets im Sommer hatte sie sich zur Siesta in ihren „Garten Eden“ begeben, wo unter der dichten Krone der alten Steineiche einige Sessel bereitstanden. Bianca richete sich erstaunt auf.
„Die Königin? Habt Ihr das richtig verstanden?“
„Aber gewiss doch, Signora. Vor dem Dom findet gerade eine Begrüßungsansprache statt und danach wird sich Ihre Majestät heraufbemühen – wohin soll sie sonst?“
„Ja, wohin sonst? Dann lasst schleunigst die Gemächer des Kaisers für seine Gemahlin vorbereiten.“
„Wir sind schon dabei. Wo wollt Ihr die Königin empfangen?“
„Hier, warum nicht?“ Sie wies auf einen der Sessel. „Anna, hole die goldene Brokatdecke, sie liegt in der Wandtruhe ganz oben. Wir werden sie über den Sessel breiten und ihn dadurch königlicher machen. Lass auch die Kinder herbringen.“
Als Erster erschien der achtjährige Manfred mit gerötetem, schweißglänzenden Gesicht.
„Muss das sein?“, maulte er. „Ich bin gerade mit einer schwierigen Waffenübung fertig und wollte ausruhen.“
„Ausruhen kannst du später, die Königin ist auf dem Weg hierher.“
Er riss seine blaugrauen Augen weit auf.
|343| „Welche Königin? Ich denke, sie ist in Foggia einge…, also ich meine, sie lebt dort und darf …“
„Was sie darf, ist allein ihre und die Sache ihres Gemahls. Wische dein Gesicht trocken und komme sofort wieder!“
Während er sich unwillig schnaubend entfernte, erschien Costanza mit ihrer fünfjährigen Schwester Violante. Bianca lächelte.
„Na, meine Große? Fühlst auch du dich gestört wie dein Bruder?“
Das jetzt elfjährige Mädchen glich weder ihrer Mutter noch dem Vater, war auch keine Schönheit. Ihr kräftiges Kinn, die graubraunen Augen und die für ihr breites Gesicht etwas zu klein geratene Nase ließen eher an eine bäuerliche Herkunft denken, doch vom Wesen her war sie ganz nach den Eltern geraten. Ihr sicheres, immer fröhliches Auftreten hatte sie vom Vater, während sie in ihrer nie erlahmenden Neugierde und Lernbereitschaft der Mutter glich.
Die kleine Violante aber sah ihrer Mutter so ähnlich, als hätte es bei ihrer Erzeugung keinen Vater gegeben. Sie war ein stilles,
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