Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Michele Scotus denken müssen. |397| Beim Neujahrsorakel hatte er doch deutlich die Krone gesehen und war immer der Meinung gewesen, aus dem am Heiligen Abend geborenen „Christkind“ müsse etwas Besonderes werden. Bianca hatte diese Prophezeiung nicht besonders ernst genommen, allenfalls hatte sie damit gerechnet, dass Costanza einen von Friedrichs fürstlichen Lehensleuten zum Mann nehmen könnte. Johannes aber trug die oströmische Kaiserkrone und war dabei, ihr mit dem zu erwartenden Sturz der lateinischen Herrschaft den alten Glanz zu verleihen. Der Papst schlachtete diese Verbindung mit dem „schismatischen“ Kaiser zwar weidlich aus, doch ihn selber störte sie nicht allzu sehr. Er wusste, dass das Gastspiel der lateinischen Herren dort bald zu Ende ging. „Kaiser“ Balduin hatte längst die Flucht ergriffen und versuchte im sicheren Frankreich mit seinem wertlosen Titel bei Unbedarften Eindruck zu schinden.
Ehe sich die oströmische Kaiserkrone auf ihr Haupt senkte, musste aus der römisch-katholischen Costanza eine griechischorthodoxe Anna werden. Das Schicksal wollte es, dass sie als Einzige ihres Geschlechts den Niedergang und die Vernichtung der Staufer überlebte und als hochbetagte Nonne in Spanien starb – doch diese Geschichte steht auf einem anderen Blatt.
Von allen Seiten gedrängt, blieb Innozenz am Ende nichts übrig, als wiederum Friedrichs Lösung vom Bann anzukündigen, und dafür war der sechste Mai angesetzt. Friedrich brach sofort nach Norden auf, nur von einer kleinen Truppe begleitet. Dass Bianca Lancia ihn begleitete, war nicht geplant gewesen. Friedrich hatte nämlich gehofft und erwartet, dass sie nach seiner Lösung vom Bann in Foggia oder Melfi auf ihn wartete. Zuerst war sie dazu bereit gewesen, doch als sie hörte, dass der fast dreizehnjährige Manfred seinen Vater begleiten sollte, kamen ihr Bedenken.
„Ich sitze dann hier allein mit Violante und darf auf eure Rückkehr warten, viele Monate lang. Meine Zofe Anna hat schon mehrmals dringend den Wunsch geäußert, mit Mann und Kindern einen eigenen Hausstand gründen zu dürfen, und ich habe es ihr nicht abschlagen können. So möchte ich den Lauf der Dinge lieber in meiner Heimat verfolgen, wo ich dir und Manfred näher bin.“
Dazu kam noch etwas, das sie bis jetzt verschwiegen hatte: Sie fühlte eine Krankheit in sich, die sie nicht zu benennen wusste. Manchmal hatte sie das Gefühl, als wachse in ihrem Bauch etwas heran, doch mit Sicherheit war es keine neue Schwangerschaft, |398| denn ihre Regel hatte nicht ausgesetzt. Es schmerzte nicht, fühlte sich eher taub an, doch eines wusste sie mit Sicherheit – da war etwas, das nicht zu ihr gehörte.
Friedrich ging sogleich auf ihren Wunsch ein.
„Ich muss dir schon Recht geben, denn auch ich habe das Gefühl, dass es länger dauert. Diesem Papst ist nicht zu trauen, auch wenn er meine Lösung vom Bann auf den sechsten Mai festgesetzt hat. Solange Kardinal Raniero von Viterbo lebt, wird er mit allen Kräften versuchen, mich zu vernichten. Von ihm lässt Innozenz sich nicht nur beraten, sondern auch beeinflussen. Eines allerdings stelle ich zur Bedingung: Du musst mich wieder zurückbegleiten.“
„Dich und Manfred?“
Friedrich lachte fröhlich.
„Du wirst doch nicht ernsthaft glauben, dass ich unseren Jungen irgendwo zurücklasse? Auch Enzio musste erst achtzehn werden, ehe ich ihm ein Amt übertrug. Nein, nein, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. In Pisa bist du bestens versorgt, das Stadthaus ist längst auf dich überschrieben und ein Landgut in der Nähe deines Elternhauses war Teil der Schenkung bei deiner Erhebung zur
margravia
.“
„Ich weiß und ich sage dir nochmals Dank.“
Während Bianca mit ihrer Tochter Violante, sorglich vom
capitano di nave
umhegt, eine meist ruhige Seefahrt nach Norden genoss, gelangte der Kaiser inmitten seiner sarazenischen Truppen in das Gebiet von Civita Castellana. Von hier hatte der Papst damals seine Flucht in den Hafen von Civitavecchia angetreten, wo ihn die genuesischen Schiffe erwarteten. Und alle hatten ihm beigestanden, nicht einem einzigen war der Gedanke gekommen, dass dieser falsche Stellvertreter Christi den Kaiser heimtückisch hinterging. Jetzt, da sie am Ort des Geschehens weilten, quälte Friedrich diese Vorstellung bis aufs Blut.
Am Abend lud er einige Freunde ins kaiserliche Zelt und sie alle waren überrascht, dass nicht wie sonst eine kalte Mahlzeit gereicht wurde, sondern nur Becher
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