Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
Delegation sei nicht empfangen worden, denn der Papst weigere sich mit einem Gebannten zu verhandeln.
„Und so ein Mann trägt den Titel ‚Stellvertreter Christi auf Erden‘“, bemerkte Friedrich empört gegenüber Petrus de Vinea. Der befingerte nachdenklich seinen grau gewordenen Bart, als wolle er sich vergewissern, dass die Zierde noch vorhanden war.
„In den Augen der Welt ist er es – leider. Wir müssen jetzt diplomatisch vorgehen. Ich werde meinen ganzen Einfluss aufbieten, damit der Bann wenigstens von mir und dem Erzbischof Berardo genommen wird. Gelingt dies, dann stehen wir wieder ganz am Anfang und wir werden wie Sisyphos den ins Tal gestürzten Felsblock von neuem nach oben tragen müssen. Dazu braucht es viel Geduld …“
„Ich weiß nicht, ob ich sie noch aufbringen kann.“
Der Winter fiel in diesem Jahr selbst den Süden an wie ein gefräßiger Wolf. Norditalien erstarrte im Frost, tausende von Menschen starben an Hunger und Kälte und mit ihnen das in zugigen Ställen darbende Vieh.
Friedrich, von Niederlagen und Enttäuschungen zermürbt, begann zu kränkeln. Er, von dem alle Welt glaubte, er sei immun gegen Krankheiten, magisch gefeit gegen Verletzungen, scheute jetzt lange Ritte, verlor die Lust an Jagdausflügen und stellte Aischa vor die Wahl, sich taufen zu lassen und einen seiner Krieger zu heiraten oder mit einem Geldgeschenk nach Lucera zurückzukehren. Gleich zu Anfang hatte er beiden Frauen die Freiheit geschenkt, um ihnen ein künftiges Sklavendasein zu ersparen. Aischa hatte eine Tochter geboren, doch das Kind starb nach einigen Tagen. Auch Asma brachte ein Mädchen zur Welt, das gesund und munter aus blauen Augen in die Welt blickte. Nach langen Beratungen entschlossen sich die Frauen nach Lucera zu gehen, beide mit einer Abfindung ausgestattet, die es ihnen erlaubte, sich einen würdigen Ehemann zu „kaufen“, wie Aischa es unter fröhlichem Lachen formulierte.
|394| Bianca machte sich Sorgen, weniger um seinen körperlichen Verfall, mehr um seine geistige Verfassung. Friedrich spürte es und sie hielt auch nicht damit hinter dem Berg.
„Immer häufiger erscheint es mir, als spräche ich mit einem anderen – Falcone, du bist mir fremd geworden.“
Sein Lächeln fiel etwas kläglich aus.
„Da haben wir denselben Eindruck, denn auch mir scheint manchmal, als kenne ich mich nicht mehr. Ja, auch ich bin mir fremd geworden und ich suche herauszufinden, warum. Sich selber treu zu bleiben, ist doch eine der edelsten Aufgaben des Menschen, auch wenn Recht und Ordnung rings um ihn zusammenbrechen. Dies scheint mir jetzt der Fall zu sein und ich frage mich, frage meine Freunde, frage dich, woran es liegt. Nur an mir? Auch an mir? Nur an den anderen? An mir und den anderen? Ich habe doch alles getan, um mit meinem Gesetzeswerk Ordnung unter die Menschen zu bringen, gewinne aber zunehmend den Eindruck, dass dies vergebens war. Woran liegt das? Was soll ich tun?“
So ratlos hatte Bianca ihn noch niemals erlebt. Auch in scheinbar auswegsloser Situation hatte er immer ein Ziel vor Augen gehabt, etwas, das er erreichen wollte, gegen welche Hindernisse auch immer.
Bianca drückte seine schlaffe Hand, fand keine Erwiderung.
„Du hast eine Reihe von Fragen gestellt, doch wichtig scheint mir nur die eine: Liegt es an dir oder den anderen? Fast alle Zwistigkeiten gehen nicht auf eine Ursache zurück, sondern wurzeln mehr oder minder in allen daran Beteiligten. Da wir kaum fähig sind, die Fehler der anderen abzustellen, sollten wir darauf bedacht sein, keine eigenen mehr zu begehen.“
Sie erwartete seinen Protest, doch er nickte nur bekräftigend.
„Du hast Recht, Bianca, hast mir eine bittere Pille zum Schlucken gegeben. Doch ich werde es tun, werde die Zähne zusammenbeißen und versuchen, über meinen eigenen Schatten zu springen.“
Friedrich hielt Wort und sein Verhalten schien reiche Früchte zu tragen. Der hoch angesehene und im Ruch der Heiligkeit stehende König Ludwig von Frankreich schaltete sich als Vermittler ein und drängte Papst wie Kaiser zu raschen Friedensverhandlungen. Daraufhin sprang der Kaiser tatsächlich über seinen Schatten, war taub für anderslautende Ratschläge und bot an, seine Truppen aus den besetzten Städten im Patrimonium Petri abzuziehen, alle restlichen |395| Gefangenen freizulassen, sämtliche Rebellen zu begnadigen. Überdies wolle er jede erträgliche Bußübung leisten, die der Papst ihm auferlegte. Dies alles wurde weithin
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