Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
überrascht sein, dass da nichts ist. Sofort verbannte er diese absurden Gedanken. Wenn da nichts ist, kann es keine Überraschung geben …
Als Magister Johannes nach ihm sehen wollte, war Friedrich eingeschlafen. Die Tagträume hatten ihn so geschwächt, dass keine Traumbilder seinen totenähnlichen Schlaf unterbrachen.
Der Kaiser erwachte bei Tagesanbruch. Ein trübes Dämmerlicht lag in dem Raum wie grauer Nebel, aus dem nun das liebliche Oval eines Frauengesichts auftauchte.
„Bianca“, flüsterte er, „du bist also gekommen …“
„Ich bin es, Vater, Violante.“
Friedrich lächelte. „Ach, Tochter, mit mir geht es zu Ende …“
|13| Sie beugte sich tiefer und strich ihm das schweißfeuchte Haar aus der Stirn.
„Magister Johannes ist ganz und gar nicht Eurer Meinung. Er sagt sogar, es wäre an der Zeit, dass Ihr wieder eine Kleinigkeit …“
Friedrich schüttelte den Kopf, so gut das im Liegen ging.
„Nein, es ist Zeit für geistige Nahrung. Ich möchte heute beichten und das Abendmahl nehmen.“
Sie lächelte auf eine Art, wie er sie nur von Bianca kannte.
„Das kann nicht schaden und wird Eure Genesung fördern.“
Er hatte Violante als Vierzehnjährige dem Grafen Richard von Caserta zur Frau gegeben, dessen kriegerischer Sinn mit Klugheit und Umsicht gepaart war. Er war es, der die elende Verschwörung des Jakob von Morra aufgedeckt hatte. Das Ziel war, den Kaiser, seinen Sohn Enzio und Ezzelino da Romano bei einem Festmahl zu ermorden. Ein ungeheuerlicher Plan, der ihn tief getroffen hatte, denn außer diesem Jakob war noch eine Reihe von Männern beteiligt, an deren Treue er niemals gezweifelt hätte.
Er winkte Violante, sich tiefer zu beugen.
„Weißt du, dass ich einmal von deiner Mutter verlangt habe, für mich zu tanzen?“
„Nein …“
„Ich habe ihr dazu ein paar Kastagnetten geschenkt. Sie sollte tanzen wie … wie …“ Er schloss die Augen und flüsterte kaum hörbar: „Geh jetzt, Violante.“
Drei Kinder hatte Bianca ihm geboren. Zuerst Costanza, bei der die Natur wohl unentschlossen war, wem sie gleichen sollte. Aus Biancas Bernsteinaugen und seinen leuchtend blauen war ein unentschlossenes Graubraun geworden und sie hatte sein kräftiges Kinn geerbt – nein, eine Schönheit war nicht aus ihr geworden. Sie hatte es am weitesten gebracht, denn vor sechs Jahren war sie die Frau des Kaisers Johannes von Nikaia geworden. Michael Scotus hatte es prophezeit …
Dann kam Manfred, ein rechtes Vaterkind. Schön wie ein Apoll wuchs er heran, von edler Gestalt, dunkelblond mit großen blaugrauen Augen. Wo ist er jetzt? Er muss doch im Haus sein … Steckt wohl wieder mit dem Medicus zusammen und wacht über meine Gesundheit …
Aus Violante aber, dem dritten Kind, wurde ein Abbild Biancas. Das dunkle Haar, die Bernsteinaugen, das liebliche Oval des Gesichtes |14| und die zierliche Gestalt – ja, Richard von Caserta wusste, was er an ihr hatte, und lohnte es mit unerschütterlicher Treue.
Warum willst du beichten, Kaiser Friedrich? Das Zimmer war leer, die Wachen standen draußen – woher kam die Frage? Hatte er sie selber gestellt? Wieder zischelte es ihm ins Ohr: Du glaubst weder an Gott noch an eine unsterbliche Seele, brauchst weder eine Strafe zu fürchten, noch einen Lohn zu erwarten. Sollte er darauf antworten? Die Frage war ja nur gewesen, warum er beichten wollte. Ich werde beichten, um der Welt ein Beispiel zu geben. Es käme vieles in Unordnung, wenn das Volk erführe, der Kaiser sei als verstockter Sünder gestorben. Kaiser bin und bleibe ich, auch im Sterben, auch im Tod, auch danach in dem von vier Löwen getragenen Sarg aus Porphyr im Dom zu Palermo. Der auf mich wartet. Kaiser in Ewigkeit.
Friedrich schloss die Augen und glitt in einen Traum hinein. Der führte ihn nach Aachen in die Pfalzkapelle des großen Karl auf die sechs Stufen zum Marmorthron des fränkischen Kaisers. Erzbischof Siegfried von Mainz setzte ihm die deutsche Krone auf, überreichte ihm Szepter und Schwert. Da war er zwanzig Jahre alt und schwebte wie auf Wolken, war in einer Hochstimmung, die sich dem ganzen Körper mitteilte, die seine Testes so anschwellen ließ, dass er darauf achten musste, nicht mit gespreizten Beinen zu gehen, als trage er eine Last zwischen den Schenkeln. Seine Gemahlin Konstanze war auf dem Weg in die deutschen Lande, doch das würde noch viele Wochen dauern. So lange konnte und wollte er nicht warten, aber als deutscher König musste er einige
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