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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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warum.
    Sein Äußeres war nicht gerade eine Augenweide. Kurze dicke Beine, langer muskulöser Oberkörper, auf dem dann ein kleiner Kopf, um nicht zu sagen, ein Köpfchen saß. Die niedrige Stirn, die immer wässrigen Schweinsäuglein, eine Knollennase und ein häufig wie vor Erstaunen offen stehender Mund machten das Bild auch nicht schöner. Sein Liebesleben hatte sich bisher ausschließlich auf Huren beschränkt, doch er dachte, wenn er erst einmal Hauptmann sei, dann würden sie schon kommen. Er wurde Capitano und sie kamen nicht. Da war wieder zu fragen: Warum? Fanden doch sonst selbst die häßlichsten Männer eine zu ihnen passende Frau, denn aus weiblicher Sicht wurde eine unvorteilhafte äußere Erscheinung oft durch andere Eigenschaften ausgeglichen. Gab es solche bei Urso nicht? Es gab sie und es war bereits die Rede davon, doch was sollte eine Frau mit solch eher soldatischen Tugenden anfangen? Eines wäre ihr sicher gewesen: Hätte Urso endlich die Passende gefunden, er wäre ihr – schon aus Dankbarkeit – zeitlebens treu geblieben.
    Niemand ahnte etwas davon, dass dieses ungefüge Mannsbild das Mädchen Anna still, aber innig verehrte. In seinen Wunschträumen war sie das treue Weib an seiner Seite, die Mutter allerliebster Kinder. Dass Anna, wie er selber, von ganz unten kam, dass sie noch vor nicht allzu langer Zeit als barfüßige Gänsehirtin über die Wiesen gelaufen war, wusste er nicht.
    Es ist anzunehmen, dass Urso weiterhin die rothaarige Anna still und heimlich verehrt hätte, wäre nicht Giordano gekommen und hätte sie im Sturm erobert. In Ursos Augen war dieser Graf Lancia |165| nur ein junger Hüpfer, der es allein seinem Adel zu verdanken hatte, dass er sich in so jungen Jahren schon Capitano nennen durfte. Hätte Urso nur etwas an Vorstellungskraft besessen, so wäre ihm eine Verbindung mit Anna wenig wahrscheinlich erschienen, doch in seinen Träumen war sie bereits eine Tatsache und er hoffte im Stillen, die Wirklichkeit werde irgendwann nachfolgen.
    Nun aber gehörte Anna einem anderen und Ursos verheißungsvolles Traumgebilde zerbarst wie eine bunt schillernde Seifenblase. In seinen Augen war Anna schuldlos und von dem in Liebesdingen sicher vielerfahrenen Grafen einfach überrumpelt worden. Wusste doch jeder, dass diese Feudalherren sich einfach nahmen, was ihnen gefiel, und wenn sie es satt hatten, wurde es weggeworfen. Wäre er, Urso, wortgewandter gewesen, er hätte Anna schon über das Wesen dieser Herren aufgeklärt, aber allein beim Gedanken daran kam er schon ins Schwitzen. Wie ließ sich so etwas überhaupt in Worte fassen? Er wusste es nicht, mochte er noch so lange darüber grübeln. Wer ein Übel nicht abstellen und auch sonst nichts dagegen tun kann, beginnt es zu hassen. So wuchs in Urso eine Verbitterung über das „Unglück“ heran, die sich bald in glühenden Hass auf Giordano wandelte. Nun besaß aber dieser Lancia denselben militärischen Rang wie er und war somit sein Genosse, Gefährte, Kamerad. Das musste er hinnehmen, ob er wollte oder nicht. Er wollte nicht, aber er musste. Die unteren Ränge durften nichts davon merken, nein, es wäre nicht recht gewesen, mit persönlichen Problemen die Mannschaft zu verunsichern. Wenn etwas geschah, dann musste es außerhalb der Truppe geschehen, von Mann zu Mann, nicht von Capitano zu Capitano.
     
    Dann kam der Tag Anfang September – der Kaiser wurde in nächster Zeit erwartet –, da gingen Ursos Gefühle mit ihm durch. Er hatte der Nachtwache vorgestanden und wollte sich jetzt ein wenig aufs Ohr legen. Seine ebenerdige Kammer grenzte an den Schlafsaal der Mannschaften und die Sicht durch das kleine Fenster ging auf den Innenhof. Er gähnte, kratzte sich ausgiebig am Schenkel, dessen Innenseite die Flöhe immer wieder heimsuchten, und schenkte sich dann einen Schlaftrunk ein. Während des Dienstes trank er nie, doch in der Freizeit manchmal weit über den Durst, immer darauf bedacht, damit nicht aufzufallen. Er trank, stellte den halb vollen Becher auf das Fensterbord und |166| wollte sich gerade umdrehen, da sah er Anna schnellen Schrittes über den Hof laufen. Sie trug einige Wäschestücke über dem Arm, die sie wohl zum Ausbessern brachte. Da flatterte irgendetwas Weißes zu Boden, doch sie bemerkte es nicht. Schnell entschlossen lief er hinaus, hob, ohne hinzusehen, den Fetzen auf und blickte sich um. Anna war verschwunden, doch sie würde wiederkommen, denn an den Vormittagen gab es immer etwas zu tun. Sie

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