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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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freute sich auf nichts, er hatte nur den Wunsch, seinen nagenden Kummer zu vergessen, doch das ging nicht und so musste er ihn ertränken. Dafür stand ein Krug mit fünf
caraffe
, also gut zwei Litern schweren Weines bereit und so würde er wenigstens traumlos schlafen können. Seit Wochen quälte ihn ein Alptraum, in dem er an einem tiefen Abgrund stand, am Rand einer Schlucht, während auf der anderen Seite Anna die Arme nach ihm ausstreckte. Da gab es für ihn keine Wahl – er nahm Anlauf, sprang und verfehlte die andere Seite um ein Weniges. Mit einem grässlichen Schrei stürzte er in den Abgrund – und wachte auf, schweißgebadet, verwirrt, verzweifelt.
    Zuerst schwiegen die beiden Männer und als Urso sein wassertriefendes Gesicht abtrocknete, sagte Giordano, wobei er auf das gewohnte „Du“ verzichtete:
    „Ich möchte Euch warnen, Don Urso. Falls Ihr noch ein einziges Mal Donna Anna mit dummen und unzutreffenden Behauptungen belästigt, werde ich Euch zur Rechenschaft ziehen.“
    Urso rieb langsam seine tonnenförmige und dicht behaarte Brust trocken. Sein Gehirn war wie verkleistert, es suchte nach einer treffenden Entgegnung.
    „So, aha“, brummte er, „und wie soll das aussehen?“
    „Wie man eben mit Verleumdern umgeht: Ich werde in Euren dummen Kopf die Wahrheit hineinprügeln.“
    „Ah, die Wahrheit, so, so. Ich werde Euch zeigen, wie meine Wahrheit aussieht.“
    Urso legte das Handtuch weg und wollte Giordano am Hals packen, doch der war schneller, duckte sich und rammte seinen Kopf in Ursos Magen. Er ächzte, rang nach Luft und bewegte dann beide Arme mit geballten Fäusten in einem Rundumschlag. Dabei wurden seine riesigen Pratzen zu Hämmern, die einen Menschen sogar |169| hätten töten können. Giordano sprang einige Schritte zurück, packte eine am Brunnenrand lehnende eiserne Kelle, holte weit aus und schlug mitten in den Fäustewirbel. Es gab einen dumpfen Knall, Urso hielt inne und betrachtete seine stark blutende rechte Hand.
    „Blut!“, krächzte er, „Blut! Der Saukerl hat mich verletzt! Dafür werde ich dich – werde ich dich …“
    Er kam nicht weiter, weil Don Gentile, der dritte Capitano, ein schweigsamer, wenig beliebter Kalabrier, mit einigen Männern erschien und die Streithähne festhalten ließ.
    „Was ihr auszutragen habt, geht mich nichts an, doch hier ist nicht der rechte Ort dafür. Noch ein Wort und ich mache dem Castellano Meldung!“
    Der Burgvogt war ihr nächster Vorgesetzter und befugt, sie beide in den Kerker zu werfen. Damit war der Streit vorerst beendet und als wenige Tage später der Kaiser erschien, gab es für die Hauptleute eine solche Fülle von Aufgaben, dass sie ihren Dienst taten, ohne ein persönliches Wort zu wechseln.

13
    Es hätte eine schöne, friedliche Zeit in den Kastellen von Melfi und Foggia werden können, wäre nicht die ungelöste lombardische Frage gewesen. Da sich in diesem Jahr ein ungewöhnlich heißer Sommer ankündigte, der schon im Mai die hitzetrunkene Luft zum Flirren brachte und sogar einige Quellen versiegen ließ, ordnete der Kaiser einen vorzeitigen Umzug nach Melfi an. Von den drei Capitani der Palastwache sollte diesmal Don Urso zurückbleiben, weil Friedrich ihn für den Zuverlässigsten hielt.
    „Dein Bruder“, so erklärte er Bianca, ist draufgängerisch und treu, lässt aber gelegentlich seiner jähen Natur freien Lauf. Auf Don Gentile ist zwar Verlass, doch die Männer schätzen ihn nicht besonders, weil er zu sehr auf strenge Zucht hält. Don Urso ist zwar beschränkt, aber seine Leute mögen ihn und er wird in Foggia verlässlich seine Pflicht tun.“
    Der Kaiser aber hatte nicht wissen können, dass Don Urso diesen Entschluss der Einflüsterung von Giordano zuschrieb. Er hatte gehofft, dieser würde zurückbleiben, und so wäre Anna seinem |170| schädlichen Einfluss entzogen und er selber könnte … Doch darüber hatte er noch nicht genau nachgedacht. Wie die meisten hoffnungslos Verliebten war Urso in eine Welt entrückt, die sich von der Wirklichkeit immer weiter entfernte. Bisher hatte es in seinem Leben einen Hauptinhalt gegeben, und das war sein Dienst. Dann kam Anna und seine hündische Verliebtheit wurde zum zweiten Inhalt. Da nun Annas Weggang bevorstand, den Urso mit allen Mitteln verhindern wollte, war die Reihenfolge eine andere geworden. Zuerst kam Anna, dann der Dienst, und der musste sich ihr unterordnen. Dass er jemals so denken könnte, hätte Urso noch vor einem halben Jahr nicht für

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