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Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers

Titel: Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp von Zabern Verlag
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möglich gehalten, aber sein einfaches Gemüt nahm diese Tatsache hin. Ein Mensch mit etwas Vorstellungskraft hätte sich sagen müssen: Ich kann an den Tatsachen nichts ändern, kann Anna nicht auf meine Seite ziehen, kann Giordano nicht an seiner Liebschaft hindern. Zu solchen Überlegungen aber war er nicht fähig. Wie ein Kampfhund hatte er sich in die Vorstellung verbissen, sein Wunschtraum müsse sich früher oder später erfüllen, und wie man weiß, lassen sich solchermaßen abgerichtete Hunde eher totschlagen, als den Biss zu lockern.
    So war es Ursos nächstes Ziel, Giordano auf irgendeine Weise von der Reise abzuhalten. Beim Kaiser vorstellig zu werden, hielt er für sinnlos, er hätte auch nicht gewusst, wie er sich dem hohen Herrn begreiflich machen sollte. So gab es für ihn nur eine Lösung, nämlich Giordano an der Reise zu hindern. Dazu musste er ihn töten, aber davor schreckte Urso zurück, denn so weit reichte seine Fantasie, um sich ausmalen zu können, was dann geschehen würde. Die nächste Möglichkeit war, Annas Liebhaber erkranken zu lassen, und dazu fiel ihm nur ein Weg ein: Er musste ihn vergiften, und zwar so, dass auf ihn kein Verdacht fiel.
    Wie alle Haushalte – ob Bauernkate oder Palast – litt auch das Kastell zu Melfi unter der Rattenplage. Mit Katzen war diesen Tieren nicht beizukommen, denn nur große und kräftige Kater wagten sich an die gefräßigen Nager. Mit Gift gab es unterschiedliche Erfahrungen, hatte man doch beobachtet, dass die vergifteten Köder zwar von Ratten gefressen wurden, aber wenn sie dann unter Krämpfen starben, rührten die anderen nichts mehr an. Nun war es den Alchemisten – unter Mitwirkung von Michael Scotus – nach vielen Versuchen gelungen, das bekannte Rattengift, nämlich Arsenikon, auf eine Weise abzuschwächen, dass der Tod erst Tage |171| später eintrat. So ließen sich die meisten der anderen Ratten täuschen und verschlangen die Giftköder.
    Urso wusste, dass es unten ein lichtloses Gewölbe gab, wo verschiedene gefährliche oder ungenießbare Zutaten zu Wirkstoffen oder Arzneien aufbewahrt wurden. Die Tage vor der Abreise herrschte ein ziemliches Durcheinander und als er den Burgvogt fragte, wo – falls dies nötig sei – das Rattengift aufbewahrt werde, stieß er sofort auf Misstrauen. Der dürre, graubärtige und etwas schwerhörige Castellano fragte mit gerunzelter Stirn:
    „Was geht Euch das an? Dafür sind andere zuständig!“
    Urso fiel natürlich nichts zur Rechtfertigung ein.
    „Na ja, es könnte – ich meine, im Falle des Falles …“
    „Dann wendet Euch an Mamo“, sagte der Graubärtige kurz.
    Das war ein im ganzen Kastell bekanntes Faktotum, eine uralte runzelige Frau, die den gesamten Hausbetrieb in- und auswendig kannte und die man um Rat fragen konnte, wenn man nicht weiterwusste. Den männlich klingenden Namen hatte sie einem beachtlichen Bartwuchs zu verdanken, der Kinn und Wangen bedeckte.
    Urso suchte sie auf und sagte etwas von unsauberen Mannschaftsquartieren, in denen die Ratten überhandnahmen.
    „Ich möchte da etwas vorsorgen …“
    Die Alte nickte nur und winkte ihm, ihr zu folgen. Der finstere Raum war anscheinend in letzter Zeit nicht mehr geöffnet worden, denn die Tür klemmte, knarrte und kreischte, bis sie endlich zur Hälfte offen stand.
    Mamos zahnloses Gemurmel war kaum zu verstehen, doch sie hielt die Lampe an ein Regal mit beschrifteten Tontöpfen, auf die ihre runzelige Hand mit Nachdruck deutete. Ihr Zeigefinger wanderte zwischen zwei der Behälter hin und her. Ihrem heiseren Gequake war zu entnehmen, dass aus beiden Töpfen etwas gemischt werden musste, aber in welchem Verhältnis, war nicht herauszufinden. Dann humpelte sie wortlos hinaus und ließ ihn einfach stehen.
    Kurz entschlossen stellte Urso die beiden etwa kopfgroßen Behälter auf einen kleinen Tisch, nahm die Deckel ab und leuchtete hinein. Der eine enthielt ein grauweißes, metallisch glitzerndes Pulver, das einen leichten Knoblauchgeruch verströmte. Im anderen Topf fand er eine schwärzliche bröckelige Masse von undefinierbarem, stechenden Geruch. Der eine Behälter war mit einem roten, der andere mit einem schwarzen Kreis versehen. Urso ging |172| nun von zwei falschen Voraussetzungen aus. Der stechende Geruch, der aus dem schwarz markierten Behälter kam, wies seiner Einschätzung nach auf Gift und war deshalb mit schwarzer Todesfarbe gekennzeichnet. Der mit dem roten Kreis und dem beruhigenden Knoblauchduft konnte

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