Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
weiterzufragen.
„Da muss ich dir schon Recht geben. Also: In Ewigkeit, Amen.“
Warum hatte er ihr nicht Zeit gelassen, die Hauptsünde zu beichten? Nach der hastigen Absolution und seinen aufdringlichen Fragen hatte sie keine Lust mehr dazu gehabt. Drückte sie diese Sünde nicht so sehr oder war es in ihren Augen keine? Es war nämlich so, dass Giordano ein Auge auf sie geworfen, sie sozusagen entdeckt hatte. Als Biancas Bruder fehlte es ihm nie an Gelegenheit, sie zu sehen, zu sprechen. Aber warum erst jetzt? Sie kannten sich doch schon von Pisa her, hatten gemeinsam die lange Reise unternommen und nach der Rückkehr vom Kreuzzug hatte er schon wochenlang als einer von drei Capitani die Palastwache geführt. Es lag wohl daran, dass sich in seinen wie auch in ihren Verhältnissen einiges geändert hatte.
Zuhause auf dem Gut war Anna ein kleines Hirtenmädchen gewesen, eine
serva
von vielen, die in Haus und Hof herumliefen. Als Leibdienerin und Vertraute der Geliebten des Kaisers hatte sich dann eine Wandlung an ihr vollzogen. Sie kleidete sich hübsch, trug Schuhe und etwas Schmuck, hatte auch einiges von den Umgangsformen |161| ihrer Herrin angenommen – kurz und gut, sie war mit dem einstigen Hirtenmädchen kaum noch zu vergleichen. Einzig ihr Gesicht war unverändert, die kecken Sommersprossen fand Giordano reizend, die rostroten Haare entzückend, ihre ganze jugendfrische Erscheinung zum Anbeißen.
Anna mochte jetzt etwa sechzehn sein und die Ereignisse um ihre Herrin hatten ihrer noch schlummernden Weiblichkeit einen sanften Stoß versetzt, ohne sie ganz zu erwecken. Doch ein wenig regte sie sich schon. Zwischen ihr und Bianca herrschte ein freier, offener Ton, bei dem aber niemals zur Sprache kam, dass ihre Herrin die Geliebte des Kaisers war. Über Männer wurde aber schon geredet und so manche Liebschaft am Hof bissig oder verständnisvoll kommentiert. Einmal fragte Bianca sie:
„Anna, du bist doch längst kein Kind mehr – gibt es hier gar keinen, der dir gefällt? Schau dir nur die Männer unserer Palastwache an, allesamt junge und stramme Kerle. So mancher von denen hat dich schon recht hungrig angeblickt …“
Anna errötete. „Hungrig? Davon habe ich nichts bemerkt.“
Giordano beließ es nicht beim Schauen, er passte Anna ab, wenn sie in den Hof zum Brunnen ging, ja, er machte ein System daraus, sich auf ihre Spuren zu setzen, um „zufällige“ Begegnungen herbeizuführen. Freilich, er musste seinen Dienst tun, aber das geschah in ihrer Nähe und allmählich gewann er den Eindruck, ihr nicht ganz gleichgültig zu sein. Sich selber schalt er einen Zauderer und Hasenfuß, der es nicht wagte, ihr klipp und klar zu sagen, worum es ging und was er wollte. War er nicht zu einer Muselmanin in ihr eigenes Bett gestiegen und hatte sie so gefickt, dass ihr Gewinsel bis nach draußen zu hören gewesen war? Und einer kleinen Dienstmagd wagte er nicht zu sagen … Er schlug sich vor Empörung so hart auf den Schenkel, dass es ihn tagelang schmerzte. Was er sich nicht eingestehen mochte: Die Umstände waren gegen ihn. Wann wäre Anna jemals allein gewesen? Nachts schlief sie im Ankleidezimmer neben der Schlafkammer ihrer Herrin, bei offener Tür, um immer in Rufweite zu sein. Untertags war es eine Kunst, sie unter vier Augen zu sprechen, immer wieselte irgendwer herum, immer hatte sie etwas zu tun, war stets in Eile.
Wir befinden uns noch in der Zeit, da Kaiser Friedrich abwesend war, um sein Land zu befrieden und mit dem Papst zu verhandeln. |162| Das zog sich über ein Jahr hin, etwa vom Sommer 1229 bis zu jenem ersten September des folgenden Jahres, als der Papst ihm den Friedenskuss bot. Bianca hatte Friedrich eher erwartet, doch es trafen regelmäßig Briefe ein, in denen er sie immer wieder vertrösten musste. Im Frühjahr waren die Verhandlungen mit dem Papst derart ins Stocken geraten, dass der Kaiser sie bat, jetzt nicht die Geduld zu verlieren und sich noch auf eine längere Wartezeit gefasst zu machen.
Um sich abzulenken, beschloss Bianca ein an das Kastell angrenzendes verwildertes Landstück in einen blühenden Garten zu verwandeln. Einen Teil der Büsche und Sträucher sowie einen alten knorrigen Apfelbaum ließ sie stehen. Dazwischen mussten die Gärtner verschlungene Pfade anlegen, Blumen und duftende Kräuter pflanzen. Mit dornigen Heckenrosen ließ sie das Stückchen Land einfrieden und nannte es spaßhaft ihren „Garten Eden“.
Von Ende Mai an hielt sie sich, vor allem an
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