Bianca Lancia - die Buhle des Kaisers
vorbeiging, wollte ihn einer seiner Männer etwas fragen. Zwar hörte er die Stimme, doch das Gesagte nahm er nicht wahr. Er winkte nur hastig ab, als sei er in größter Eile, nahm den Gang hinüber zur schmalen Wendeltreppe, die auf den höchsten Turm des Kastells führte, der einen weiten Rundblick nach allen Seiten bot.
War Ursos Vorstellungskraft bisher nur schwach ausgeprägt gewesen, so überfiel sie ihn jetzt mit den grauenhaften Bildern von der Bestrafung eines Mannes, der einen fast zur kaiserlichen Familie zählenden Menschen ermordet hatte. Dazu brauchte Urso nicht viel Fantasie, denn er hatte einige der Strafaktionen zur Befriedung Siziliens miterlebt. Da wurden Menschen mit glühenden Zangen in Stücke gerissen, da gab es Gepfählte, die sich stunden-, ja tagelang in ihren Qualen wanden, da waren Gehäutete und Geblendete, langsam in Öl Gesottene und an den Beinen Erhängte. Diese so grausam Gerichteten zogen an seinem inneren Auge vorüber, als er schwer atmend die endlose Wendeltreppe hinaufkletterte. Ihre Qualen trieben ihn hinauf zur Turmstube, ihr Schreien, Keuchen, Stöhnen und Ächzen wollte er nicht länger hören und so öffnete er das schmale Fenster, zwängte seinen schweren Körper hinaus und ließ sich fallen. Das wäre nicht nötig gewesen, denn Giordano hatte die Übelkeit schnell überstanden. Nicht Arsenikon hatte Urso ihm in den Wein gemischt, sondern die an sich harmlose Beimischung für das Rattengift.
Erst am nächsten Morgen fiel Ursos Abwesenheit auf, denn er hatte seine Männer sonst stets um eine bestimmte Zeit bei Tagesbeginn antreten lassen. Über seinen Verbleib wusste niemand etwas zu sagen. Einige Wochen später entdeckten Pilzesammler seinen von Füchsen und Mardern stark angenagten Körper im fast unzugänglichen Dickicht unterhalb des Kastells.
Da hatte sich der kaiserliche Hof längst in Melfi eingerichtet und Friedrich schüttelte den Kopf, als er die Botschaft von Ursos Tod erhielt.
|175| „Friede seiner Asche“, sagte er nur, „wer weiß, was ihn hinauf in den Turm getrieben hat? Und ob er aus dem Fenster fiel, gestoßen wurde oder selber sprang, bleibt im Dunklen.“
Inzwischen war es August geworden, doch das auf einer Anhöhe gelegene Melfi war einem fast ständig wehenden Wind ausgesetzt, sodass es auch im Hochsommer nie zu einem Hitzestau kam.
Ohne seinen Entschluss zu begründen, hatte der Kaiser seinen Harem in Foggia gelassen, was allgemeine Verwunderung erregte. Bianca konnte es nicht lassen, mit leisem Spott zu bemerken:
„Ob die zarten Blumen des Morgenlandes nicht zu sehr unter der Hitze leiden? Hier hätten sie sich wohler gefühlt …“
Was bei anderen seinen Ärger erweckt hätte, nahm er von Bianca gelassen hin.
„Ich wollte dir eine Freude machen.“
Das war ihm tatsächlich gelungen, doch sie mochte es nicht zugeben.
„Die Damen stören mich nicht, ganz im Gegenteil, ich fand es sehr ergötzlich, wenn sie zur Unterhaltung deiner Gäste ihre Tänze aufführten – sehr einfache zwar …“
„Jeder nach seinem Vermögen – du könntest nicht einmal das.“
Sie hob erstaunt die Brauen.
„Wenn ich wollte, könnte ich es, aber ich will nicht.“
„Dann werde ich dir zur Anregung
castagnette
schenken.“
„Wenn es dir Spaß macht …“
Sie saßen in der schattigen Laube, die am unteren Teil des Palastes angebaut und mit wildem Wein dicht überwachsen war. Friedrich gähnte und freute sich wieder einmal, dass Bianca sich nicht den Mund verbieten ließ. Er schaute sie zärtlich an.
„Dir geht es darum, immer das letzte Wort zu haben. Wir könnten noch stundenlang weiterreden, bis mir die Augen vor Müdigkeit zufallen. Du achtest darauf und wenn ich eingeschlafen bin, sprichst du den letzten Satz. Ein Schlafender kann nichts erwidern.“
„Es gibt Wichtigeres. Wann genau willst du abreisen?“
Er tat erstaunt. „Du solltest sagen: Wir reisen ab.“
„Ich darf also mitkommen?“
„Ja, willst du es nicht?“
„Du hast mich bisher nicht gefragt.“
|176| „Dann frage ich dich jetzt.“
Sie zog einen Schmollmund. „Ich bleibe in Melfi. Reisen ist immer so anstrengend …“
„In Ravenna könntest du Galvano treffen – hat er nicht schon einen Sohn?“
„Ja, Federico, er müsste jetzt etwa zehn Jahre alt sein.“
„Da gibt es gewiss eine Menge zu erzählen.“
„Familiengeschichten – wer will die schon hören? Meine Familie ist jetzt hier.“
Friedrich lachte. „Ja, schon, aber du brennst doch
Weitere Kostenlose Bücher