BIANCA SPEZIAL Band 03
wissend, dass es nur noch ihn und die Wände gab?
O’Rourke kam ins Grübeln. Ihm gefielen seine neuen Erkenntnisse ganz und gar nicht.
O’Rourkes Bemerkung überraschte Kitt. Sie zeugte von Feingefühl und davon, dass er das Gleiche empfand wie sie.
Sie lächelte ihn an. „Ich glaube, dass du hinter deiner rauen Schale sehr feinfühlig bist und ein riesengroßes Herz hast.“
Feinfühlig zu sein, hatte ihm noch niemand vorgeworfen. „In Irland gibt es eine ganze Stadt, die dich gern vom Gegenteil überzeugen würde.“
Sie kickte die Schuhe von den Füßen und fragte sich, ob das Essen, dass sie im Backofen warm gehalten hatte, noch genießbar war.
„Dann irren sich die Iren eben“, erwiderte sie nur halb im Scherz und dachte dann über ihre Worte nach. „Nein, ich glaube nicht, dass sie mir widersprechen würden. Ich denke, deine Familie und Freunde wissen ganz genau, wie du bist.“
Ihre Naivität trieb ein Lächeln auf sein Gesicht. „Ah, aber da irrst du dich, meine Liebe. Niemand weiß wirklich, wie es bei mir innen aussieht.“ Er sah, dass sie protestieren wollte. „Du glaubst nur, mich zu kennen“, kam er ihr zuvor. „Aber die Dinge, die ich auf die Liste geschrieben habe, berühren nur die Oberfläche.“
Das wusste sie natürlich. Aber das Zusammenleben in den letzten Wochen hatte ihr Hinweise darauf gegeben, wie er in Wirklichkeit war. „Niemand kann sein inneres Selbst ganz verstecken, O’Rourke“, bemerkte sie weise.
Er bekam plötzlich einen schrecklichen Durst und lief auf die Küche zu. „Willst du noch lange da stehen bleiben?“, fragte er.
Sie folgte ihm. „Du hast Angst, zu weich zu wirken.“
Er öffnete den Kühlschrank und holte sich eine Flasche Bier heraus. Und auf einmal wurde ihm klar, dass er seit der Heirat nicht mehr in einem Pub gewesen war. Dagegen muss ich was tun, dachte er.
„Du denn nicht?“, fragte er.
Kitt schaltete den Backofen aus, nahm dann die Flasche aus seiner Hand und trank einen ordentlichen Schluck. Normalerweise trank sie kein Bier, schon gar nicht jetzt, in der Stillzeit, aber heute Abend brauchte sie nicht zu stillen, und morgen früh wäre der Alkohol schon wieder verflogen.
Sie schaute ihn unverwandt an, während sie ihm die Flasche Bier zurückgab. „Ich habe dich zuerst gefragt.“
Er zuckte die Schultern, nahm ebenfalls einen Schluck und versuchte nicht daran zu denken, dass ihre Lippen eben noch am Flaschenhals gelegen hatten. „Menschen, die zu weich sind, gehen in dieser Welt unter, und ich habe mir geschworen, dass niemand auf mir herumtrampeln wird.“
Sie sah ihn erstaunt an. „Seltsam, genau das habe ich mir gesagt, bevor ich an jenem Abend in deinen Wagen gelaufen bin.“
Er wünschte sich, sie würde ihn nicht so anschauen. Ihn mit diesem Blick aus ihren blauen Augen nicht so berühren – und zwar ganz tief innen, dort, wo es zählte. Er spielte Desinteresse vor. „Das zeigt, dass wir kluge Leute sind.“
Er wandte sich ab, aber sie stellte sich vor ihn, damit sie in sein Gesicht schauen konnte. „Tut es das?“
O’Rourke konnte nicht anders, er legte eine Hand an ihre Wange und sagte sich gleichzeitig, dass er einen schicksalsschweren Fehler beging.
Trotzdem zog er die Hand nicht zurück.
„Manchmal zu klug, als dass es gut für uns wäre“, murmelte er und strich ihr über die Wange.
Ihre Haut war so weich, so unendlich zart.
Dann küsste er sie. Er küsste Kitt mit all der Leidenschaft, die er in den letzten Jahren in sich aufgestaut hatte, ohne dass er sich ihrer bewusst gewesen wäre. Es war mehr, als er ertragen konnte. Er war sich nur halb bewusst, was er tat, als er sie in die Arme zog und an seinen Körper schmiegte. Er hatte solches Verlangen, solche Sehnsucht nach mehr.
Er konnte spüren, wie die Anziehungskraft zwischen ihnen prickelte und der Kuss ein Feuer entfachte, das bald außer Kontrolle geraten würde.
Verdammt, aber er wünschte sich …
Er wünschte sich Dinge, die nicht passieren durften.
Das Klügste, was er in diesem Moment tun konnte, war, sofort von ihr abzurücken. Er brauchte Raum. Raum und Vernunft.
Aber er war kein Mann, der in seinem Leben immer das Klügste getan hatte, rief er sich ins Gedächtnis. Es gab Leute in der Vergangenheit, vor allem Lehrer, die das leicht bezeugen konnten.
Während der Kuss immer fordernder wurde, schlang er die Arme noch fester um Kitt. Für einen Moment gab er sich selbst die Erlaubnis, ein Mann zu sein, nichts als ein Mann, der eine
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