BIANCA SPEZIAL Band 03
die so groß war, dass sie für nichts anderes mehr Platz ließ. Sie ergriff O’Rourkes Hand, als der Fahrstuhl sich öffnete.
„Jetzt hast du es zweimal getan“, sagte sie leise.
Er drückte den entsprechenden Knopf, und die Tür begann sich zu schließen. Sie waren allein im Fahrstuhl.
„Zweimal?“
Sie presste die Lippen zusammen. „Du hast zweimal
Shawnas Leben gerettet.“
Er brauchte einen Moment, bis er begriff, was sie meinte. „Das erste Mal zählt eigentlich nicht. Ich habe ja schließlich nur geholfen, sie auf die Welt zu bringen.“
Jetzt war er zu bescheiden. Diesen Wesenszug hatte sie schon öfter an ihm bemerkt. Er hörte nicht gern Lob oder Komplimente, selbst dann nicht, wenn sie berechtigt waren.
„Trotzdem, jetzt gehört sie ganz offiziell auch zu dir.“
Er fühlte sich unbehaglich, wenn man ihm Dankbarkeit entgegenbrachte. Er wusste nie, was er sagen sollte. „Sie gehört bereits zu mir“, erinnerte er sie. „Wir haben meinen Namen auf die Geburtsurkunde gesetzt.“
Das war geschehen, damit man die Behörde überzeugen konnte, dass er Shawnas Vater war. Da der leibliche Vater des Kindes nichts mit Shawna zu tun haben wollte, hatte Kitt nichts dagegen gehabt. Tief in ihrem Herzen wusste Kitt, dass O’Rourke – ob er nun ein wenig ungeschliffen war oder nicht – ein weitaus besserer Vater als Jeffrey sein würde.
„Ja, ich weiß, aber jetzt gehört sie dir richtig. Du hast ihr das Leben wieder eingehaucht.“ Tränen sprangen ihr in die Augen, als sie die Kinderstation erreichten. „Wenn du nicht gewesen wärst …“
Sie verließen den Fahrstuhl, und er blieb einen Moment stehen, um sie anzusehen. Tränen machten ihn immer nervös, auch Tränen, die mit Macht zurückgehalten wurden.
„Aber ich war da …“, sagte er bestimmt und ergriff ihren Arm. Er hätte sie gern in die Arme gezogen, hatte aber auch Angst vor diesem Schritt. Er hatte Angst, dass er sie dann nie mehr loslassen würde. „Quäl dich nicht unnötig, Kitt-mit-zwei-t.“ Das war nur reine Zeitverschwendung und brachte nichts. Er schaute sie mit ernstem Gesicht an. „Was auch passiert, schau immer nach vorne. Es ist der einzige Weg, durch diese Welt zu kommen.“
Sie wusste, was er tat. Sie hatte ein wenig über den Fremden gelernt, den das Schicksal ihr an einem regnerischen Abend in ihr Leben geschickt hatte. Er versuchte ihre Emotionen einzudämmen, weil sie ihn verlegen machten. Schade.
„Deswegen kann ich trotzdem dankbar sein.“ Sie stellte sich auf Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Die gleiche prickelnde Wärme wie damals, als er sie am Altar geküsst hatte, durchfuhr ihn. O’Rourke spürte, wie direkt sein Körper auf Kitt reagierte, und ignorierte seine Forderungen. So darf das nicht laufen, sagte er sich. Eine Abmachung war eine Abmachung. Er hatte ihr sein Wort gegeben, und auf sein Wort konnte sie sich verlassen. Er würde auf keinen Fall beginnen, sich wie ein Ehemann zu benehmen, wie sehr er sich das auch wünschte.
„Dankbarkeit hat noch keinem geschadet“, erwiderte er spröde. Doch er konnte keinem von beiden etwas vormachen.
Drei Stunden später kehrte O’Rourke mit Kitt nach Hause zurück. In Absprache mit dem Kinderarzt war Shawna noch eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus geblieben. Um der Sicherheit ihres Kindes willen war Kitt sofort einverstanden gewesen. Doch das Wissen, dass Shawna gut aufgehoben war, ließ sie die Sehnsucht nach ihrer kleinen Tochter auch nicht besser ertragen.
O’Rourke steckte die Schlüssel in die Tasche, während er das Licht einschaltete. Irgendwie wirkte das Apartment auf einmal trostlos. Und still. Ihm war nicht klar gewesen, wie leer die Wohnung ohne das Baby sein würde.
Er steckte die Hände in die Hosentaschen und sah sich um, als würde er den Raum zum ersten Mal sehen.
„Hör mal genau hin“, forderte er sie auf.
„Auf was?“ Es gibt nichts zu hören, dachte sie und lauschte, als ob sie etwas überhört hätte. Aber da war nichts. Kein freundliches Gurgeln, kein Krähen, kein Schreien. Ihre kleine Tochter war im Krankenhaus.
„Achte auf die Stille.“ Er schaute zu Kitt hinüber. „Wer hätte gedacht, dass solch ein kleines Geschöpf solch eine Riesenleere hinterlassen könnte?“ Das tat Shawna tatsächlich, dachte er. Er vermisste sie fast körperlich.
Wäre es mit ihrer Mutter genauso? Am Ende, wenn sie wieder beide aus seinem Leben verschwunden wären? Würde es so sein, wenn er nach Hause käme,
Weitere Kostenlose Bücher