BIANCA SPEZIAL Band 06
geschlafen“, sprudelte er hervor. „Und Mrs. T. und Clyde habe ich Grandma und Grandpa genannt. Stell dir das bloß mal vor!“
Es brauchte keine psychologischen Fachkenntnisse, um zu erkennen, dass er sich dasselbe wünschte wie sie – eine Familie. Nachdem er von einer Pflegefamilie zur anderen geschickt worden war, sehnte er sich nach einem Ort, an dem er Wurzeln schlagen konnte.
Längst vergessene Erinnerungen aus ihrer Kindheit stiegen in April auf – an ihren sehnlichsten Wunsch, ihr Vater möge nach Hause zurückkehren, damit die Familie vollständig würde. Ihr Traum von einer perfekten Familie war nicht in Erfüllung gegangen, weder in ihrer Kindheit noch als Erwachsene.
Sie legte Steven eine Hand auf die Schulter und erklärte nachdrücklich: „Ich finde deinen Traum sehr schön, und ich hoffe, dass du eines Tages bekommst, was du dir wünschst.“
„Ich habe gehört, dass Glückwünsche angebracht sind“, verkündete Glen, als April sich seinem Haus näherte.
Sie ließ beinahe ihr Einweihungsgeschenk fallen. „Woher weißt du das?“
Er grinste. „Der Stallleiter hat es mir erzählt.“
Verblüfft fragte sie sich, wie ihr Angestellter von der Neuigkeit erfahren haben konnte. „Wirklich?“
„Ja. Daisys Liebelei wird uns eine gepfefferte Deckgebühr kosten.“
„Ach so, das.“ Sie überlegte, wie sie das Thema am besten eröffnen sollte, das sie mit ihm besprechen wollte. Da ihr kein geeigneter Weg einfiel, gab sie sich vorläufig mit Small Talk zufrieden. „Das Haus sieht gut aus.“
Es war alt, aber seit Glen die Veranda repariert und die Fassade neu gestrichen hatte, wirkte es sehr behaglich.
„Komm, ich zeige es dir.“ Er griff nach ihrer Hand. „He, was hast du denn da?“
Sie überreichte ihm das bunt eingewickelte Päckchen. „Ach, das ist nur eine Kleinigkeit für das Haus.“
„Das wäre nicht nötig gewesen.“ Er legte das Päckchen auf den Korbsessel neben der Eingangstür, nahm ihre Hand und zog sie mit sich. „Ich mache es nachher auf, nachdem ich dir gezeigt habe, was ich drinnen alles verändert habe.“
„Aber ich muss mit dir über etwas reden, Glen.“
Er blieb stehen, schloss die Finger fester um ihre Hand und musterte sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Verlegenheit.
„Ich meinte, Kumpel“, korrigierte sie sich hastig, doch aus irgendeinem Grunde ging ihr der alte Kosename nur schwer über die Lippen. „Wir müssen uns unterhalten, bevor noch mehr Zeit vergeht.“
„Wenn es um die verschwundenen Gegenstände geht – ich glaube nicht, dass es Steven war“, entgegnete er und zog an ihrer Hand.
„Warte.“
Nachdem sie Stevens Traum kannte, musste sie in Erwägung ziehen, dass er die Gegenstände entwendet haben konnte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Dennoch glaubte sie es nicht. Doch das war nur eines der Dinge, die sie mit Glen besprechen wollte.
„Es geht hauptsächlich um unsere Ehe. Wir müssen entscheiden, wie es weitergehen soll.“
„Ich weiß, dass du die Scheidung willst“, sagte er tonlos. „Tut mir leid, aber ich war mit der Renovierung beschäftigt. Ich hatte noch keine Zeit, sie einzureichen.“
Bevor sie ihm sagen konnte, was sie auf dem Herzen hatte, führte er sie durch das Haus und wies sie stolz auf die frisch gestrichenen Wände und die modernisierte Küche hin. „Als Nächstes will ich da drüben ein weiteres Zimmer anbauen, und dann möchte ich die seitliche Veranda in einen Wintergarten verwandeln.“
Er lächelte breit. Es war das erste aufrichtige Lächeln, das sie auf seinem Gesicht sah, seit sie getrennter Wege gingen. „Also, sag mir, was du davon hältst. Aus deiner Sicht als Frau.“
Darum ging es ihm also. Er wollte wissen, wie seine Besucherinnen reagieren würden.
Niedergeschlagen erinnerte sie sich an ein Gespräch, das einige Jahre zurücklag. Clyde hatte ihn geneckt, dass er ein wilder, sorgloser Junggeselle sei. Er hatte lachend entgegnet, dass er beabsichtigte, sein Junggesellenhaus durch erotische Beleuchtung und ähnliche Ausstattung in ein Liebesnest zu verwandeln. Damals hatte sie es für einen Scherz gehalten, doch nun sah sie es anders.
Sie blickte sich in dem behaglichen Raum um. Es war ein Haus, das jeder Frau gefallen hätte. Es wirkte warm und einladend. Doch leider galt die Einladung nicht ihr.
Eine Bewegung vor dem Fenster erregte ihre Aufmerksamkeit. „Was war das?“ Sie traten beide ans Fenster. Ihre Schultern berührten sich, als sie durch die Scheibe in den Garten
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