BIANCA SPEZIAL Band 06
kurzer Dauer. Sie griff zu der Fernbedienung und schleuderte sie ihm an die Brust.
„Warum hast du mich belogen?“
Er sagte nichts. Er fragte sich, wann sie den Wecker entdecken und ebenfalls schleudern würde.
Ihre Energie schien verpufft zu sein. Sie setzte sich auf die Bettkante und stützte niedergeschlagen den Kopf in die Hände. „Warum hast du mich überlistet, dich zu heiraten?“
Was konnte er dazu sagen? Er hatte darauf spekuliert, dass sie durch eine legale Trauung gezwungen war, ihn als Ehemann und Geliebten statt als guten Freund anzusehen. Er hatte gehofft, dass sie ihn mit der Zeit ebenso lieben würde, wie er sie liebte. Er hatte sich ausgemalt, dass sie mit ihm verheiratet bleiben wollte.
Doch wenn er ihr die Wahrheit sagte, würde sie auf der Stelle verschwinden. Also sagte er ihr, was sie hören wollte.
Er setzte sich zu ihr auf das Bett, ohne sie zu berühren. „Ich wollte nicht das Risiko eingehen, dass du auf deinen ursprünglichen Plan zurückgreifst, wenn du nicht sofort schwanger wirst.“
Sie blickte ihn müde an.
Glen nahm ihre Hand. „Ich brauche dich, April.“ Sie versuchte, sich ihm zu entziehen, doch er ließ es nicht zu. „Auf dem Campingplatz. Ich könnte niemals einen angemessenen Ersatz für dich finden.“
Obwohl seine Antwort sie ein wenig zu beschwichtigen schien, wirkte sie keineswegs erfreut. Und wenn er daran gezweifelt hätte, so verriet ihm die zusammengerollte Decke mitten im Bett, was sie von seinem Trick hielt.
8. KAPITEL
April schritt am Strand entlang, der den See auf dem Campingplatz umgab. Zahlreiche Kinder bauten seit über einer Stunde an ihren Sandburgen und hofften, den ersten Preis in Form eines Eimers voller Süßigkeiten für ihre Kreation zu gewinnen. Als einzige Schiedsrichterin dieses Wettbewerbs wurde sie unaufhaltsam aufgefordert, die Meisterwerke zu begutachten.
Vor einigen Tagen hatten die Sommerferien begonnen. April war froh über die vermehrte Arbeitslast und stürzte sich eifrig in ihre Aufgabe der Animation. Es half ihr, sich davon abzulenken, dass sie verheiratet war. Gesetzlich verheiratet.
Hätte sie Glen böse bleiben können, hätte sie die Situation leichter verkraftet. Doch stattdessen waren die vergangenen zwei Wochen die angenehmsten ihres Lebens. Es war ein Vergnügen, jeden Morgen als Erstes sein Gesicht zu sehen. Und es war erfrischend, die bislang einsamen Abende mit ihm zu teilen. Ursprünglich hatte sie sich geweigert, mit ihm zu schlafen, um die bevorstehende Scheidung nicht durch Vollziehung der Ehe zu gefährden. Doch inzwischen war es eher eine Frage der Scheu. All die Jahre über hatte sie alles mit Glen geteilt – Hoffnungen, Kümmernisse, Freuden und besondere Anlässe. Doch sie hatte nie ihren Körper mit ihm geteilt, und plötzlich erschien ihr der beste Freund wie ein Fremder.
„Miss April.“ Eine kleine Hand zupfte am Saum ihres T-Shirts. Die sechsjährige Rachel blickte mit ihren großen blauen Augen zu ihr auf. „David will meine Burg kaputtmachen.“
April blickte in die Richtung, in die Rachel deutete. Das mittlere der drei Morgan-Kinder rollte gerade mit Unschuldsmiene einen riesigen Plastikball zu seinem kleinen Bruder Jason.
Sie ging zu ihm und hockte sich vor ihn hin. „An deiner Stelle würde ich Rachel bei ihrer Sandburg helfen, David. Denn wenn sie gewinnt, teilt sie vielleicht den Preis mit dir.“
Er zuckte unbekümmert die Schultern. „Ich kann mir selbst Schokolade kaufen.“
Jason dachte offensichtlich anders darüber. Er stand vom Sand auf und lief zu Rachel. „Ich helfe dir“, bot er eifrig an.
In der Befürchtung, dass das Bauwerk nicht mehr lange stehen würde, musterte April es prüfend und prägte es sich ein.
Eine Weile später, als Rachels Burg noch intakt war, fand die Preisverteilung statt. Der Eimer mit den Süßigkeiten ging an ein älteres Mädchen, das eine Burg mit drei Türmen erschaffen hatte. Der bestürzte Ausdruck auf Rachels Gesicht veranlasste April, ihr und Jason als zweite Sieger je einen Schokoriegel zu überreichen. Dann verteilte sie Lutscher als Trostpreise an die restlichen Teilnehmer.
„Softie“, neckte Steven.
Sie überreichte ihm ebenfalls einen Lutscher. „Da mir der Campingplatz gehört, kann ich Regeln aufstellen, die mir gefallen“, entgegnete sie.
Er steckte sich den Lutscher für später in die Tasche. Vermutlich galt es für einen Sechzehnjährigen nicht als cool, in der Öffentlichkeit einen Lutscher zu schlecken.
Ein
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