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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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hatten die Vandalen in der kleinen Bar links der Bühne gewütet. Gestern, als ich mit Luc dort ein Glas Cremant trank, hatte ich über deren Siebziger-Jahre-Partykeller-Charme gespottet. Selbst der war jetzt unwiederbringlich dahin. Die Schnapsflaschen aus den Regalen gerissen und zerschlagen, die Sitze der Barhocker aufgeschlitzt, der ehemals holzgeflammte Tresen mit roter Farbe verschmiert. In Schwarz hatte jemand »Hellsass Devils« an die Wand gesprüht. Der Raum stank nach scharfem Alkohol, vom Elsässer »Schnapsela« war so viel verschüttet worden, dass mir vom Einatmen ganz schummrig wurde. Der Schriftzug an der Wand verschwamm vor meinen Augen.
    Â»Hellsass Devils«, irgendwas klingelte da bei mir. Aber ich erinnerte mich nur an den Motorradlärm, den Luc und ich gestern auf dem Weg zum Hotel gehört hatten, und an Lucs alarmierten Blick dabei, und daran, dass der Krach schnell vergessen war. Wir hatten gestern Nacht anderes im Sinn gehabt.
    Wir wollten miteinander ins Bett, aber was hatten die Hellsass Devils gewollt? Die deutsch-französische Freundschaft aus dem Takt bringen? Nur Samstagabendstunk machen? Einen alten Mann mit meinem Messer erstechen? Ich verließ die Bar und ging in die Küche, die rechts der Bühne durch einen langen Tresen mit dem Festsaal verbunden war. Aufgeräumt und geputzt, komplett von der Gewaltorgie verschont. Fürs Aufräumen und Putzen hatten Martha und Pierre gesorgt, schließlich verließ kein Koch seinen Arbeitsplatz als Saustall. Ich erinnerte mich, dass ich meine Tasche auf die Messerkoffer von Felix und Pascal gelegt hatte. Und da lag sie auch noch. Ich löste den Klettverschluss und rollte die Tasche auf.
    Das Ausbeinmesser fehlte.
    Okay, sagte ich mir, ganz ruhig bleiben, denk nach! Das Ganze muss gar nichts mit dir zu tun haben! Als wir gegangen sind, war keiner mehr nüchtern, da hat keiner mehr darauf geachtet, wer sich außer den Serviermädchen in der Küche zu schaffen machte! Und dann müssen irgendwann diese Schlägertypen aufgetaucht sein … Jeder Gast hätte mein Messer klauen können.
    Beruhigte mich das? Kein bisschen! Weil mir plötzlich klar wurde, dass es gar keine so gute Idee war, hier allein nach dem Messer zu suchen.
    Bei Alban Brandt, dem Kölner Polizisten, mit dem ich mich nach dem Mord an meiner Spülfrau Minka angefreundet hatte, würde ein solches Verhalten alle Alarmglöckchen klingeln lassen. Und Alban Brandt war ein sanfter, ein menschenfreundlicher Bulle. Der würde zu meinen Gunsten immer noch in Erwägung ziehen, es könnte stimmen, dass ich nur hierhergekommen war, um zu überprüfen, ob mein Messer wirklich fehlte. Aber die französische Polizei? Da hörte man doch immer, dass das ganz, ganz scharfe Hunde seien. Harte militärische Schule, l’état c’est moi und so weiter, dagegen war nicht nur Alban Brandt, dagegen waren die meisten deutschen Polizisten Weicheier.
    Ich sah mich in der Küche um. Zwei Kochzeilen wie in einer Schulküche mit Spülbecken, Arbeitsflächen, einem großen Kühlraum dahinter und drei Profiherden. Alles sauber und aufgeräumt, keine herausgezogenen Schubladen, keine offen stehenden Schranktüren. Der Diebstahl meines Messers also nicht das Ergebnis einer spontanen, hektischen Suche, sondern mit Bedacht ausgeführt. Nicht die Tat eines wild gewordenen Rockers. Eine völlig andere Handschrift als die im Saal und in der Bar.
    Â»Für jedes Verbrechen gibt es Vorzeichen und Vorgeschichten«, behauptete Alban Brandt. Ich konnte seine sanfte Stimme hören, seine wachen grauen Augen vor mir sehen, als er mir in seinem Schrebergarten davon erzählte. »Man erkennt den Ausbruch, der zum Mord führt, nur, wenn man alle Spuren zu ihrem Anfang zurückverfolgt. Wenn man Glück hat, bringt einen schon die erste oder zweite Spur zum Ziel, wenn man Pech hat, erst die zehnte oder zwanzigste. Alles kann wichtig sein.«
    Alles? Bei diesem Fest mit mindestens dreihundert Gästen, geschätzten fünfhundert Litern Riesling und einer randalierenden Motorradgang als Zugabe würde die französische Polizei bei der Spurensuche ihre helle Freude haben. Bei so einer verwirrenden Ausgangslage würde sie sich mit Sicherheit auf die wenigen vorhandenen Indizien stürzen. Und das Messer würde sie früher oder später zu mir führen …
    Hatte ich es gestern überhaupt

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