Bibbeleskaes
benutzt? Ich wusste es nicht mehr, ich war überhaupt keine gute Zeugin, hatte ich doch die ganze Zeit nur Augen für Luc gehabt: Die Franzosen hatten ihm den Coq au Riesling anvertraut. Der köchelte in groÃen Töpfen bei kleiner Flamme, den hatte man schon vorbereitet, denn er schmeckte am besten, wenn er über Nacht durchgezogen hatte. Sein feiner Duft mischte sich in der Luft mit dem des deftigen Schäufeles.
Luc schnitt Champignons klein, würfelte Speck, schaute zwischendurch zu mir herüber und ich zu ihm hinüber. Immer mehr zufällige Blicke kreuzten sich, mal von mir, mal von ihm, es folgten Blicke, die sich suchten und fanden, Augen, die sich verstanden, bevor nur ein Wort gewechselt wurde. Liebe, das alte Spiel, fing immer mit Blicken an.
Natürlich bekam ich mit, wie Hedwig Luc gelegentlich etwas zurief oder ihn die Sauerkirschen kosten lieÃ, weil die Franzosen die doch nicht kannten. Und dass Pascal, der dies auch sah, dabei besonders heftig das Mark aus den Rindsknochen bohrte. Ja, die rosafarbene Kuchenkönigin flirtete mit Luc. Dabei merkte sie nicht oder wollte nicht merken, dass der Mann sich längst an mich verloren hatte.
In der Küche hatte also neben all den deutsch-französischen Düften Liebe in der Luft gelegen, und sosehr ich mich auch anstrengte, bei diesem geschäftigen, fröhlichen, lärmigen, deutsch-französischen Kochduell Anzeichen für einen Mord zu entdecken, der ein paar Stunden später stattfinden würde, es gelang mir nicht.
Es war nicht gut, hier zu sein, dachte ich wieder. Ich überlegte, was ich jetzt machen sollte, und entschied: gar nichts. Ich rollte also meine Messertasche wieder ein und legte sie auf die beiden Messerkoffer. Dann schob ich sie noch mal zur Seite und öffnete erst den einen und dann den anderen Koffer. Beide Koffer waren leicht zu öffnen, man musste sie nicht umständlich aufrollen wie meine Tasche. Ein kurzer Klick, und die ganze Messerpracht lag direkt vor einem. Warum hatte sich der Täter nicht daraus bedient?
Als ich wieder auf die Place de la Libération trat, hielt vor dem gegenüberliegenden Rathaus ein Auto an. Schnell lief ich in eines der rechts der Salle polyvalente abbiegenden Gässchen, ich wollte nicht gesehen werden. Ich benahm mich schon wie eine Verdächtige, was völliger Schwachsinn war, aber ich war verwirrt, mehr noch, ich war wütend: Wieso musste eine Liebesnacht mit einer Leiche enden? Wieso konnte es das Leben nicht einmal gut mit mir meinen?
Mit der Faust in der Tasche stapfte ich durch das kleine SträÃchen. Die schnuckeligen Fachwerkhäuser, das sanfte Plätschern des Baches, das milde Rauschen des Windes in den Linden, all das beruhigte mich nicht, und dann stieà ich noch auf den Namen Emile Murnier. Er stand über einem der breiten Tore, die in die Innenhöfe der Häuser führten. Ãber dem Tor ein Ãlbild von Jeanne dâArc, die die Franzosen zum Kampf anführte. Unten, neben dem Tor, ein alter eiserner FuÃabkratzer, wie man sie früher oft neben den Haustüren fand. Daneben lag ein Streichholzbrieflein mit der Aufschrift Queenâs Pub . Neben dem Tor ein Schild: Vin â achate et dégustation .
Da lag also ein toter Winzer im Bach. Luc hatte mir erzählt, dass er auch Winzer war, aber Winzer gabâs in Scherwiller viele. Luc! Wann hatte er das Zimmer verlassen? Wieso war er ohne Abschied gegangen? Was hat er mit dem Toten gleichen Namens zu schaffen?
Nichts, gar nichts, hat er mit dem Tod des alten Mannes zu tun. Sein Verschwinden wird einen banalen, geradezu lächerlich einleuchtenden Grund haben, auch wenn du es dir jetzt nicht erklären kannst. Und bestimmt hat er dich zum Abschied geküsst, dir zugeflüstert, warum er wegmuss. Nur, du hast zu tief geschlafen oder erinnerst dich nicht daran. â Himmel, dass die Liebe mich noch mal so heftig erwischte, hätte ich nicht für möglich gehalten!
Ich war wieder bei der Winstub angekommen. Der Fundort war jetzt groÃräumiger abgesperrt, als es der Gendarm mit der Lederhaut vorhin gemacht hatte, im Bach und auf den Waschsteinen arbeiteten die Leute von der Spurensicherung. Auf der StraÃe standen mehre Polizeiautos dicht an dicht, dahinter ein Leichenwagen. Wie ein Lauffeuer musste in der Zwischenzeit die Nachricht von der Ermordung Murniers durchs Dorf gegangen sein, denn hinter der Absperrung hatten sich die Kochgruppe,
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