Bibbeleskaes
französische, dann die deutsche Nationalhymne spielte. Genügend Zeit, um weitere Blicke mit Luc zu tauschen, im Wechsel sein Lächeln und meines über die Bühne hinwegsegeln zu lassen. Die Reden der Bürgermeister nur ein fernes Rauschen, ich war ganz bei Luc. Wie er wohl küsste? Wonach er wohl roch? Wie sich seine Hände wohl anfühlten? Martha musste mich in die Seite kneifen, damit ich mit den anderen nach vorne trat, um den Beifall des Publikums für unseren Sieg entgegenzunehmen. Danach Fototermin: Pascal hebt den Finger zum V-Zeichen, Felix hält sich im Hintergrund, Martha mit stolz geschwellter Köchinnenbrust, Hedwig, die schnell ihren Lippenstift nachzieht â rosa natürlich â, Erna, die sich bei Martha unterhakt.
All das interessierte mich nicht, mich interessierte nur Luc. Auf dem gemeinsamen Foto mit den Franzosen standen wir wie selbstverständlich nebeneinander.
»Madame Schweitzer?«
Ich erschrak, als ich die rosigen Wangen von Capitaine LeBoeuf direkt vor meinen Augen sah. Er musste sich zu mir heruntergebeugt haben, ohne dass ich es bemerkt hatte.
»Pardon. Die Nacht war kurz«, murmelte ich. »Was wollten Sie wissen?«
»Und nach der Preisverleihung? Wie ist es weitergegangen?«
Er kehrte an seinen Platz auf der anderen Seite des Tisches zurück, und erst jetzt sah ich, dass wir in der Wäschekammer des Hotels saÃen. Neben dem Tisch standen Körbe mit noch nicht gefalteten Handtüchern, daneben ein Bügelbrett, hinten an der Wand eine HeiÃmangel für die Bettwäsche, und über allem hing der Geruch von Weichspüler.
»Wir haben gefeiert.«
In dieser Bar mit geflammtem Holz und schummrigem Licht. Sekt und Selters, Riesling und Eau de vie , eng warâs und laut, lustig und neckisch, ein Gedränge und Geschubse, irgendwann Lucs Mund an meinem Ohr, der fragte: »Und? Was machen wir jetzt mit uns?« â »Ich würd so gern tanzen«, flüsterte ich zurück in sein Ohr, und schon griff er nach meiner Hand, schlängelte sich mit mir aus der Bar hinaus in den Saal, wo jetzt die Scherwiller Musiker zum Tanz aufspielten. Akkordeonmusik, Valse musette . Die Musik liebte ich, seit ich zum ersten Mal Edith Piaf gehört hatte. Lucs Hand auf meiner Hüfte fühlte sich so gut an wie sein Arm um meine Schultern, immer näher zog er mich zu sich heran, während er uns beide über die Tanzfläche schob, so nah, dass unsere Nasenspitzen sich berührten und ich ihn nur noch küssen wollte.
»Danach hierher, ins Hotel«, ergänzte ich laut für LeBoeuf.
Zum Glück fragte er nicht, ob allein oder zweit, er wollte nur wissen, wann ich gegangen war, doch das wusste ich nicht. Denn die Zeit hatte letzte Nacht nicht existiert und exakte Uhrzeiten schon gar nicht.
Ob die Hellsass Devils vor meinem Weggang im Saal aufgetaucht waren, kam als nächste Frage. Nein, nur deren Motorräder hatte ich gehört. Ob es ansonsten aus meiner Sicht noch etwas Erwähnenswertes über diese Nacht zu berichten gebe?
Mais oui, Monsieur le commissaire , tausend Dinge! Der erste Kuss vor La Pizza bella, der zweite auf einem Aubachbrückchen, der dritte vor dem Tor zur Winstub. Küsse und Kichern auf dem Weg zum Hotelzimmer. Die Hast des Ausziehens, der erste schnelle Fick, dann der zweite, langsamer, genussvoller. Luc als erfindungsreicher Erkunder meines Körpers, und sein Körper gefiel mir auch verdammt gut.Danach, erschöpft nebeneinanderliegend, wieder sein Mund an meinem Ohr: »Das ist mehr als eine Bumsgeschichte, nicht wahr?« â »Viel mehr. Vom ersten Augenblick an.«
Das alles würde ich dem Kommissar niemals erzählen, das war nichts, was er wissen musste, aber wissen musste er etwas anderes. Und das sagte ich ihm: »Das Messer im Rücken des Toten gehört mir.«
VIER
Aus dem Verhör entlassen, stolperte ich im Innenhof der Winstub direkt FK in die Arme. Der machte bereits einen sehr wachen Eindruck, wirkte regelrecht elektrisiert. Wann hatte ein kleiner Lokalreporter schon mal das Glück, als Erster bei einem Kapitalverbrechen vor Ort zu sein? Dagegen war sein üblicher Artikel über das wer weià wievielte Treffen der beiden Dörfer Bibbeleskäs, den musste er knicken, dafür konnte er jetzt über einen Mord berichten.
»Stimmt es, dass du den Toten gefunden hast?«
Ich verfluchte Martha dafür, dass sie mich
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