Bibbeleskaes
hatten. In der Zeit, als ich bei Rosa lebte, hatte ich die beiden manchmal begleitet, wenn sie sich gegenseitig ihre Heimat zeigten: StraÃburg und Freiburg, Grand Ballon und Hornisgrinde, Haut Koenigsbourg und Brigittenschloss, Westwall und Hartmannsweilerkopf, die Acherner Illenau und das KZ Struthof. Alemannische Fasnacht und Bal des veuves , Weinfeste in Waldulm und Ribauvillé, Schwarzwälder Kirschtorte in Baden-Baden, Glace-meringue in Sélestat. »Bei uns«, sagten beide gerne, »hat die deutsch-französische Freundschaft funktioniert.«
Obwohl der Spaziergang sie erschöpft hatte, lieà es sich Antoinette bei unserer Rückkehr nicht nehmen, mich nach Scherwiller zurückzubringen. Sie fuhr tatsächlich noch Auto, einen alten 2 CV , erstaunlich forsch. Zum Abschied drei schnelle Küsse und ein Hauch Parfüm. Heute Abend würden wir uns wiedersehen.
Sie setzte mich vor der Winstub Mueller ab, weil unsere Kochgruppe hier untergebracht war. Durch die breite Toreinfahrt blickte ich auf weinbewachsene Mauern und einen Biergarten. Vor der Treppe zum Eingang der Winstub verteilte Martha Schälchen mit Cremes und Knabbereien auf drei mit Sektgläsern bestückte Stehtische. Als sie mich sah, nestelte sie schnell einen Schlüssel aus ihrer Jackentasche und schnalzte ungnädig mit der Zunge.
»Du hast Zimmer sieben, den Koffer hab ich dir aufs Bett gelegt. Los, mach schnell, in fünf Minuten kommen die Franzosen. Gemeinsamer Aperitif, bevor wir mit dem Kochen loslegen.«
Wie üblich vorwurfsvoll. Kein Wort zu Antoinette. Rosas Freunde hatte Martha nie gemocht. Ich schnappte mir wortlos den Schlüssel, trat ins Haus und folgte dem Schild »Chambres« . Mein Zimmer lag zur StraÃe hin im zweiten Stock. Von drauÃen war das Plätschern des Aubachs und Stimmengemurmel zu hören. Ich beugte mich aus dem Fenster und sah Felix und Pascal auf einem der alten Waschsteine direkt am Aubach stehen.
»Das letzte Grundstück an der Scherwiller StraÃe«, hörte ich Pascal sagen. »Du weiÃt genau, dass Bauland in Fautenbach immer teurer wird. Wenn ich das Grundstück jetzt nicht kaufe, kann ich es mir nicht mehr leisten. Ich habe wirklich lange gewartet, Felix, aber jetzt brauch ich mein Geld zurück.«
»Keiner hat doch damit gerechnet, dass die Glashütte dichtmacht. Achtzig Prozent weniger Aufträge, das musst du erst mal wegstecken. Ich hätte doch sonst niemals die zwei neuen Lkws gekauft.«
Felix, wieder rauchend, lief unruhig auf den schmalen Waschsteinen auf und ab, Pascal dagegen hatte die Hände über der Brust verschränkt und stand wie festgemauert auf der Stelle. Er trug ein verwaschenes T-Shirt, eine Hose mit allerlei Taschen und gelbe Turnschuhe. Wie vielen klassischen Junggesellen schien ihm sein Aussehen egal zu sein.
»Was ist mit der Erbschaft?«
»Das dauert und dauert. WeiÃt doch, wie viel Zeit es braucht, bis so was geregelt ist.«
»Dann verkauf die Lkws«, brummte Pascal.
»Das ist doch ein Verlustgeschäft«, jammerte Felix. »Du bist doch mein bester Freund. Warum kannst du nicht noch warten?«
»Du weiÃt genau, warum ich ausgerechnet das Grundstück will. Weil es direkt an der StraÃe liegt. Und die StraÃe brauch ich, sie ist mein Revier.«
»Wie, dein Revier?« Felix warf die Zigarette weg, nur um sich sofort eine neue anzuzünden.
»Roadkill-Fleisch«, antwortete Pascal nur, und ich lehnte mich weit aus dem Fenster, weil ich von StraÃentod-Fleisch noch nie etwas gehört hatte.
»Roadkill«, wiederholte Felix entgeistert. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Ich verfluch den Tag, wo du das angefangen hast! Hätte ich dir doch bloà nie das Kochbuch von diesem McGowen geschenkt! Bevor du auf den Roadkill-Trip gekommen bist, hast du es mit dem Bauen nie eilig gehabt. Und unsere Freundschaft? Ist dir die gar nichts wert? Wegen dem blöden Roadkill-Fleisch willst du, dass ich Bankrott mache?«
»Das ist nicht blöd! Das ist eine Philosophie, hinter der ich voll und ganz stehe. Du weiÃt, dass das meiste Fleisch, das wir kaufen, mit Chemie vollgepumpt ist. Roadkill-Fleisch ist Natur pur, da hat keiner der Verbrecher aus der Fleischindustrie jemals seine Drecksfinger reingesteckt! Einen gröÃeren Respekt vor der Schöpfung, als nur Tiere zu essen, die sowieso schon tot sind, gibt es für einen Fleischesser nicht.
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