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Bibbeleskaes

Bibbeleskaes

Titel: Bibbeleskaes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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auspalaverten, wer wo arbeiten sollte, herrschte auf deutscher Seite wilder Arbeitseifer. Pascal stemmte den schweren Topf mit der Rinderbrühe auf den Herd, Hedwig schlüpfte in ihre rüschenumrankte Schürze. Martha sortierte Zutaten hin und her, während Erna schon die Spüle mit Beschlag belegte, um ihre Kartoffeln zu waschen. Felix breitete seine Messer genau da aus, wo ich mir das Mise en place für die Suppeneinlagen aufbauen wollte. Hedwig rief nach einem Mixer, Erna nach einem Topf, Felix nach einer Aufgabe, Pascal, zwischenzeitlich mit einem großen Beil bewaffnet, suchte nach den Markknochen.
    Einmal mehr leuchtete mir ein, warum eine professionelle Kochmannschaft streng hierarchisch aufgebaut ist. An der Spitze der Küchenchef, darunter die einzelnen Posten: Saucier, Garde-manger, Entremétier, Patissier und so weiter. Klar verteilte Aufgaben also, jeder wusste genau, was er zu tun hatte, jeder achtete auf den anderen. Mise en place hieß der erste Schritt, sprich alles bereitstellen, was man für seine Gerichte brauchte. Nur durch gute Vorbereitung konnte man zeitgleich mit den Kollegen fertig werden. Denn es war katastrophal, wenn das Fleisch vor dem Gemüse fertig war oder der Fisch bereits vertrocknete, während die Soße erst aufgeschlagen wurde. Exaktes Timing, ein gemeinsamer Rhythmus, nur so funktionierte es. Und das Tempo gab immer der Küchenchef vor. Er war der Kapitän, der die Crew Abend für Abend durch die stürmische See von dreißig, vierzig, fünfzig verschiedenen Essen steuern musste.
    Ich wartete darauf, dass Martha endlich das Kommando übernahm, aber sie sortierte und zählte weiter, während die anderen wild und ziellos vor sich hin werkelten. Es kostete mich wahnsinnige Überwindung, nicht selbst ans Ruder dieses schlingernden Kahns zu springen, um ihn für den Abend ins richtige Fahrwasser zu setzen, denn das war Marthas Job. Mach dir nichts draus, bleib ganz ruhig, du weißt doch, dass die Sache schiefgehen muss, redete ich mir ein, während ich an meinem Arbeitsplatz Däumchen drehte.
    Die Franzosen auf der anderen Seite der Küche gerieten jetzt in Bewegung, ich schnappte ein paar knappe Befehle von Pierre Mueller auf, und kurze Zeit später stand jeder ohne viel Federlesen an seinem Platz und schien genau zu wissen, was er zu tun hatte. Luc, groß, breites Kreuz, das halblange blonde Haar jetzt zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, schickte mir einen amüsierten Blick, als er einen schweren gusseisernen Topf auf den Gasherd wuchtete. Seine Augen gefielen mir. Kastanienbraun, ganz warm.
    Â» Coq au Riesling , das ist mein Job. Und deiner?«, fragte er.
    Â»Dies und das«, gab ich zurück und bekam mit einem Schlag bessere Laune.
    Â»Une tournante«, kam retour.
    Oho. Einer, der sich mit Kochposten auskannte! Der Tournant ist der Springer in einer Kochbrigade, ein Alleskönner.
    Â»Ich bin die Patissière«, krähte Hedwig.
    Â»Das ist unübersehbar!«
    Er deutete mit einem Kochlöffel auf ihre Schürze. Sie zupfte ein wenig daran herum und kicherte. Charmant, charmant, der Herr am Fleischtopf!
    Â»Au travail!«, rief ihn Pierre Mueller zur Ordnung, der wie ein richtiger Küchenchef alles im Blick hatte, und deutete auf Zwiebeln, Speck und Champignons, die Luc für seinen Coq zu schneiden hatte.
    Auf unserer Seite betrachtete Pascal das als Aufforderung, die Markknochen mit solcher Wucht zu zerhacken, dass sie wie Wurfgeschosse durch die Gegend flogen. Ich brachte ihm die zurück, die auf meinem Arbeitsplatz gelandet waren. Immerhin spülte er sie ab.
    Â»Falls dich das Roadkill-Fleisch interessiert, kannst du gern mal bei mir vorbeikommen. Fuchs schmeckt sehr gut, ich hab da ein Ragout probiert, das man noch ein bisschen feiner hinkriegen könnt. Du als Profi …«
    Â»Klar doch«, meinte ich und sah zu, dass ich Land gewann. Ich stellte mir vor, wie Pascal am frühen Morgen die Straßen nach totgefahrenen Tieren absuchte, diese in dem Rucksack sammelte, aus dem er vorhin sein Beil geholt hatte, sie in seiner Küche enthäutete, ihnen Köpfe und Schwänze abhackte, das Fleisch von den Knochen kratzte und daraus tatsächlich etwas kochte …
    Erna verzweifelte derweil am Gasherd, den sie nicht entflammen konnte, Felix schliff seine Messer zum zweiten Mal, und Hedwig suchte mit lautem Getöse nach einem Topf für die

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